Повесть А. А. Федотова «Семирамида» на немецком языке. Перевод З. А. Романовой

Die Erzählung
Gewidmet dem Priestermönch Michail (Tschepel),
ohne den es dieses Buch nicht gäbe.

…uns hat hat der Orient besucht, um die in Finsternis und im Schatten des Todes Sitzenden zu erleuchten, und unsere Füße auf den Weg des Friedens zu richten.
LK. 1; 78-79
Der Heilige Nikolaus hat am Ende des III ─ am Beginn des vierten Jahrhunderts gelebt. Fast 1700 Jahre trennen uns von ihm, und während dieser Jahrhunderte bewahrt ihm die Kirche ein gutes Gedächtnis sorgfältig, weil er ein erstaunliches Leben gelebt hat, eine enorme Kraft des Geistes gewonnen hat, und sich mit seinem heiβen Glauben dem Gott so genähert hat, dass der Gott ihm eine besondere Kraft gegeben hat ─die Kraft, Wunder zu vollbringen.
Der Patriarch von Moskau und ganz Russland Kirill
Wenn ich mich gut zu einem Mann verhalte, kann ich mich über seine Sünden grämen, aber das kann meine Beziehung zu ihm nicht beeinflussen.
William Somerset Maugham

…Priestermönch Michal (Tschepel), ein Mann von einem ungewöhnlichen Schicksal, widmete seine ganze Kraft dem Dienst der Kirche, der Verherrlichung des Heiligen Nikolaus, dem zu Ehren er zusammen mit Andrei Jurjewitsch Bykow eine Stiftung gegründet hat. Derzeit dient er in der Vertretung der Russischen Orthodoxen Kirche im Königreich Thailand. Wahrscheinlich, ist es schwierig, die Menschen zu zählen, denen Vater Michail geholfen hat, der immer in der Antwort auf die Worte der Dankbarkeit bescheiden sagt: «Ich habe nichts gemacht. Alles hat der Heilige Nikolaus! gemacht» Bei unserem letzten Treffen übergab der Vater mir ein Ries von mit der Hand geschriebenen Blättern und sagte: «Hier ist ein sehr schwieriges, zerbrochenes Leben einer Frau, die am Rande des Abgrunds stehend, die Kraft fand, um Hilfe bei dem Gott, dem Heiligen Nikolaus zu bitten, und auf wundersame Weise sie bekam. Das Ende ihres irdischen Lebenswegs war friedlich und wohlhabend, soweit es in ihrer Situation möglich ist, sie starb im Frieden mit dem Gott und den Menschen». Auf Vaters Michail Bitte beschrieb die Frau, der er so helfen konnte, dass sie, von den Menschen enttäuscht, in ihm einen irdischen Engel gesehen hatte, auf Zetteln, ohne Schnörkel, wie eine öffentliche Beichte ihr ganzes Leben, das jemandem als eine Lehre dienen könnte. Der Vater bot mir, diese handschriftlichen Materialien in eine Erzählung umzuarbeiten, die Namen geändert, was ich versuche zu tun.

Die Flamme der ersten Liebe

Das Leben scheint so herrlich und vielversprechend einem jungen Mädchen, wenn es schön ist! Obwohl seine ersten Eindrücke traurig sind: der Tod des Vaters,der es ,als es vier Jahre alt war, der Fürsorge der Mutter überlassen hat, die noch eine Tochter von der ersten Ehe hatte; das Leben in einem Halbkeller, in dem aus allen Bequemlichkeiten nur das Licht war.
Aber mit 17 Jahren hatte Semiramida -eine in der Sowjetunion geborene Assyrierin — schon goldene Schmuckstücke. Lilita, ihre Schwester seitens der Mutter, die 5 Jahre älter als sie war, schien ihr damals ein naher Mensch zu sein.Ihre Mutter Wardia erzog die Töchter allein, sich in einigen Arbeiten zerreiβend, damit die Kinder keine Not hatten. Sie lebten damals in Rostow am Don im Rayon von Nachitschewan.
Die Mutter erzählte ihr in der Kindheit über eine rätselhafte orientalische Zarin, zu deren Ehre sie ihre Tochter genannt hatte, und über die hängenden Gärten, die zu Ehre dieser Herrscherin auch genannt wurden und die viel später erschienen und als eines der Weltwunder anerkannt wurden. Es ist unbekannt, ob diese Herrscherin wirklich gelebt hatte, aber die Geschichte, die Wardia erzählt hatte, beeindruckte das Mädchen.
Laut einer Legende war die künftige Zarin die Tochter der assyrischen Göttin Derketo — eines Fisches mit einem Menschenkopf und eines gewöhnlichen Mannes; die Göttin der Liebe Aphrodite hat Derketo aus irgendeinem Grund mit Liebe zu ihm bestraft. Nach der Geburt der Tochter beschloβ diese ungewöhnliche Mutter, dass sie sich durch diese Beziehung mit einem einfachen Sterblichen erniedrigt hatte und sie tötete ihn, warf sich in einen See und lieβ die Tochter in einer Wüste. Aber das Kind ging nicht zugrunde: zuerst ernährten die Tauben es und dann fanden die Hirten es, die es dem Aufseher der zaristischen Gärten Sim brachten; und es war von ihm erzogen. Mit der Zeit wurde das Mädchen immer schöner.Damals war der Herrscher von Assyrien der Zar Nin, ein ruhmreicher Kämpfer, ein Eroberer, der während 17 Jahre seiner Herrschaft der Gebieter der Besitze von dem Mittelmeer bis zu Indien wurde. Er hat die Hauptstadt von Assyrien Ninevija gebaut, von vielen die herrlichste Stadt in der Welt genannt. Einer seiner Vertrauten Oann gewann die junge Semiramide auf den ersten Blick lieb und heiratete sie, brachte sie nach Ninevija, wo sie ihm zwei Söhne gebar. Er liebte sie so, dass er keinen Tag ohne sie leben konnte, sie in den Krieg mitnahm, an dem er zusammen mit dem Zaren teilnahm,
Semiramide hat mit List geholfen, die Hauptstadt von Baktrija zu erobern, und gerade dann hat der Zar Nin auf sie geachtet. Er hat sich in diese Frau, von einer unmenschlichen Schönheit auch verliebt und von Oann gefordert, dass der ihm seine Frau abgab und selbst seine Tochter heiratete. Aber Oann stellte sich sein Leben ohne die, die zum Sinn seines Lebens geworden war, nicht vor und begang Selbstmord. Laut einer Version der Legende gebar Semiramida Nin einen Sohn , nachdem sie zur assyrischen Zarin geworden war, und wurde für ihn ein guter Freund und Berater.Vor dem Tod ernannte Nin Semiramide zu seiner Nachfolgerin. Laut einer anderen Version bat sie ihn, nachdem sie seine Liebhaberin geworden war, sie für einen Tag zur Herrscherin des Landes zu ernennen. Das schien ihm spaβhaft zu sein und er führte ihre Grille aus, weil er auf sie ganz verrückt war. Und sie benutzte das, um einen Befehl über seine Hinrichtung zu erteilen…Sowieso wurde Semiramide zur Zarin von Assyrien.
Sie setzte die Politik von Nin fort – begründete Babylon, führte eroberische Kriege. Aber ihr Sohn Ninos wollte die Zarin töten und das Land selbst regieren.Nach einer Version gelang es ihm, das zu machen, nach einer anderen – die Mutter hat ihm dieZügel der Regierung selbst abgegeben und verlieβ diese Welt, sich in eine Täubin verwandelt…
Über die Zarin von Assyrien wurden viele Gerüchte und andere Geschichten verbreitet, mit denen die vernünftige Mutter das Bewuβtsein des jungen unverdorbenen Mädchens nicht belastete. Der Märchenname der Zarin versprach ihrer Namensschwester ein märchenhaftes Leben; aber sie beänstigte nicht das, dass das Leben dieser Herrsherin laut der Legende nicht süβ war.Obwohl sie in demselben Keller immer noch lebten, schien es dem Mädchen, dass das Leben immer mehr einem Märchen ähnlich wird. Es entsinnt sich selbst seit dem Moment, als sie mit einem LKW in irgendeinen Hof eingefahren waren. Die Mutter schloβ mit dem Schlüssel eine Tür auf, die in einen Halbkeller führte, in welchem es viele Jahre zu leben hatte. Es erinnerte sich auch an das Begräbnis des Vaters mit einem Photo der Tochter.
Der Sarg stand im Hofe ihres Hauses auf zwei Schemeln.Viele Leute standen um ihn herum. Wardia , die schon den zweiten Mann beerdigte, weinte. Semiramida verstand schlecht, was geschah: sie war noch zu klein. “Du warst für ihn die allerliebste!”- diese Worte der Mutter blieben ihr im Gedächtnis haften, an sie gewandt. Und auch die Worte jemandes von den Verwandten, Wardia verbessert: Nein, du warst die allerliebste! Und in der Tochter hat er dich geliebt!”
Der Tod des Vaters hat kein schweres Gepräge dem Leben des Mädchens gegeben. Semiramidу machte alles leicht. Sie hatte zwei Freundinnen, die im nächsten Haus lebten: eine Russin– Nina, die andere war eine Armenierin namens Karine.Sie sang und tanzte in zwei Ensembles –in einem russischen und in einem armenschen. Sie hat einen Kurs für Schneiderinnen gemacht, nach dem Abschluβ der Schule hat sie den Beruf der Damenfriseuse erlernt. Sie und Lilite hatten teure Sachen, die neueste Apparatur. Man konnte von der Seite denken, dass das die Töchter der reichen Eltern waren, aber ihre Mutter verzichtete auf alles wegen der Kinder. Sie gefiel den Männern, die Zahl der Ehen, die sie im Laufe ihres Lebens geschlossen hatte, zeugt davon.
In der ersten Ehe wurde Lilite geboren, in der zweten — Semiramide. Entweder die Töchter waren für Wardia wichtiger als die Männer oder sie erlebte den Tod ihrer Männer zu schwer, die sie sehr liebte, aber sie heiratete zum dritten Mal erst, nachdem die Mädchen aufgewachsen waren.
Je älter Semiramide wurde, desto mehr blühte ihre Schönheit auf, — sagte man so während der assyrischen Feste und Hochzeiten und alle umher. Eigentlich gefiel das Mädchen auch sich selbst, es bemerkte, wie die Jungen auf es sehen. Es traf sich mit vielen von ihnen, aber diese Treffen waren unschuldig.
Einmal lernte Semiramide Tigran kennen, der zwölf Jahre älter als sie war. Er hatte eine Familie, aus der er weggegangen war, alles seiner Frau und dem Sohn gelassen. Er mietete ein Haus in Rostow am Don, arbeitete als Fahrer — Spediteur, Wurstwaren für Geschäfte liefernd.
Er war von hohem Wuchs, blauäugig und hat das Herz der jungen Assyrierin bezaubert, von der er nichts verheimlichte, auch, dass er bald vor Gericht erscheinen soll, in welchem er als Angeklagte wegen einer Schlägerei auftreten soll. Das junge Mädchen maβ diesen Erzählungen Bedeitung nicht bei, was es später sehr bedauerte. Es hat sich ganz andere Worte gemerkt.
***
— Meine märchenhafte Zarin, niemandem werde ich dich abgeben!
Die siebzehnjärige Semiramide sah auf den erwachsenen Mann spöttisch, der von der Liebe zu ihr den Kopf verlor.
— Und wirst du mich wie deine Frau nicht verlassen? –fragte sie ihn so streng wie möglich.
— Nein, auf keinen Fall! Das war ein Fehler, den ich noch lange entgelten werde.
— Vielleicht bin ich auch dein Fehler?
Tigran blickte mit Interesse auf das Mädchen, das so sprach, als ob es schon eine groβe Erfahrung hinter sich hatte.
— Nein, du bist kein Fehler, du bist meine erste Liebe, — sagte er fest und blickte dem Mädchen in die Augen so, dass es verstand, dass das die Wahrheit war.
— Und du bist meine Liebe… sagte es nur das.
— Dann wurde Tigran zum ersten Mann von Semiramide.Sie, die viel bedauert hatte, bedauerte das kein einziges Mal. Die Sonne war so hell an diesen Frülingstagen und brannte gar nicht. Die Luft war frisch, ein kühler Wind zauste zärtlich die Haare der Verliebten.
Tigran hat Semiramide gebeten, ihn mit ihrer Mutter bekanntzumachen, aber er hat Wardia nicht gefallen. Siie verbot ihnen, sich zu treffen, aber die Tochter gehorchte ihr nicht. Die geheimen Treffen gaben die Schärfe ihren Beziehungen. Die Verliebten stiegen in das Auto ein , fuhren irgendwohin fort; die Mutter sah das manchmal; aber die Skandale stoppten sie nicht. Sie warteten auf ihre Volljährigkeit, um standesamtlich zu heiraten, weil Wardia kategorisch verzichtete, ihr Einversändnis mit ihrer Ehe bis zur Volljährigkeit zu geben. Aber einmal kam Tigran zu ihrem verabredeten Platz nicht, er kam auch an den nächsten Tagen nicht… Erst viele Jahre später, als nichts mehr wiederzubekommen war, erfuhr Semiramide,dass das geschah nicht, weil er sie nicht mehr liebte,sodern weil er die Freiheit verlor… Und damals hat sich alles in ihrem Leben umgedreht. Sie dachte, dass ihr Liebling sie verlassen hatte und alle hatten recht, als sie sagten, dass er mit ihr spielte… Sie weinte nicht,sie hatte keinen hysterischen Anfall, zeigte nicht, wie es ihr weh tat, wie es ihr ärgerlich und fürcherlich war.Wie alle Mädchen glaubte sie noch an ihre Freundinnen, erzählte ihnen ihre Geheimnisse.
Ihre beste Freundin war Karine – ein armenisches Mädchen, mit dem Semiramide von der Kindheit an befreundet war. Sie offenbarte ihr ihre Geheimnisse:
— Stell dir vor, Tigran ist so wunderbar, er ist so schön, welche Augen er hat, und wie er mich liebt!
— Und bist du sicher? — erwiderte Karihe zurückhaltend, Tigran gefiel ihr selbst, aber sie hatte Angst vor der Freundin, sich zu verraten.
— Und ob bin ich unsicher! Niemand hat mir solche Worte gesagt! Und wie er in meine Augen sieht!
Die Eifersucht drang in das Herz der jungen Armenierin ein, obwohl sie nicht nur irgendwelche Rechte auf Tigran hatte, sondern auch ihn kaum kannte. Aber das Glück der Freundin war so strahlend, dass sie auch ein gleiches Glück haben möchte, wenn auch es dafür notwendig wäre, es bei ihr aabzunehmen.
— Die Männer sind gar nicht so einfach, — sagte Karine laut, — warum hat er seine Frau verlassen? Und die Kinder bedeuten für ihn wohl gar nichts! Und du bist noch wie ein Kind – so naiv! Er wird mit dir wie mit einem spaβhaften Spielzeug spielen und dann dich verlassen!
— Was du nicht sagst! –lachte Semiramide glücklich und sorgenlos. – Er sagt, dass ich für ihn teuerer als das Leben bin!
— Die Männer sagen viele Dinge, bis sie das bekommen, was sie wollen. Und wenn sie das bekommen, so brauchen sie das Mädchen nicht mehr.
— Er hat schon alles bekommen, — sagte die junge Assyrierin erröternd.
— Was du nicht sagst! –rief die Freundin aus, sofort sie hassend. Und sie fragte sie gleich mit einer kaum versteckten Hoffnung in der Stimme: — Und was ist? Vermeidet er dich jetzt, versteckt er sich? Sie machen immer so in solchen Fällen!
— Nein, — lachte Semiramide. – Er will über alles mich heiraten! – Nur die Mutter ist dagegen… aber ich bin bald achtzehn, dann kann ich sie nicht danach fragen…
“Ich muss mit Tante Wardia unbedingt sprechen”, — sagte Karine sich selbst nachdenklich, und sie zwitscherte: “Wie glücklich bin ich für dich, als ob es meine Freude wäre!” Und sie dachte für sich: “Gewiβ wird sie meine Freude zusammen mit Tigran sein!”
Wardia, der Karine alles erzählt hatte, führte die Tochter zu einem Gynäkologen. Die Frist der Schwangerschaft war schon viereinhalb Monate; es war schon spät, die Leibesfruchr abzutreiben. Die Mutter verabredete, eine künstliche Geburt zu fördern. Der Tochter erzählte sie davon später, als alles beschlossen war. Semiramide möchte sehr dieses Kind behalten, dessen Vater sie so liebte. Aber das Mädchen war so jung! Wardia weinte, sie hatte Angst vor der Schande und der Verurteilung der Assyrier. Das Herz von Semiramide brannte, in ihrem Innern hörte sie einen Schrei: “Lassen Sie mich in Ruhe, das ist mein Leben!”Äuβerlich zeigte sie das aber nicht.
Wie in einem Traum verlief die Geburt in irgendeinem Zimmer.Die junge Mutter verstand nicht, ob es alles ihr geschah. Es wurde ein toter Junge so klein wie eine Handfläche geboren. Die, die in ein paar Monate ihn normal gebären könnte, sah auf den Sohn mit Schrecken und dachte: wie kann man für die anderen entscheiden, ob sie leben oder nicht leben werden?
Die junge Assyrierin wickelte den Sohn in ein Tuch ein, legte ihn in die Tasche, in der sie ihn einige Tage mit sich trug. Ihr Bewuβtsein war abgestumpft. Sie holte das Tuch von Zeit zu Zeit aus der Tasche,sah auf den kleinen Leib, sprach etwas…In ihren Phantasien stellte sie sich nicht das vor, was sie sah: da sind sie zusammen mit Tigran in einem geräumigem Zimmer, und mit ihnen ist ihr Sohn, da singt sie ihm Wiegenlieder, da kriecht er, versucht, die ersten Schritte zu machen und da lehrt sie ihn sprechen, da sagt er schon die ersten Worte, da geht er schon in die Schule.In den glücklichen Augen von Tigran ist der Stolz auf den Sohn… Und dann kam das Bewuβtsein wieder zurück. Und wieder ist vor ihr die winzige Leiche, die schon in einigen Monaten ihr lieber Junge werden könnte. Sie war den Tränen nah, aber das Mädchen, plötzlich erwachsen geworden, konnte nicht weinen von der innerlichen Schmerz,der alles im Innern verbrannte. Sie trug mit sich das kleine tote Kind und lebte in einer Welt von Träumereien, bis es zu zerlegen begann und die junge Mutter verstand, dass sie es beerdigen muss. Semiramide wusch es, grub eine Grube, in der sie ihren Sohn begrub. Es schien, als ob die Natur selbsr ihre Qualen vermehren wollte. Die glühende Sonne blendete, wegen der Schwüle atmete sie schwer, die Bremsen kreiselten in einem Schwam um sie herum und stachen sie schonungslos. Das unglückliche Mädchen fühlte den Schmerz nicht.
So endeten ihre erste Liebe und die erste Mutterschaft. Sie hat diesen Schmerz ihr ganzes Leben getragen.
Erst viele Jahre später erfuhr sie, dass ihr Liebling, nachdem er die Strafe- sechs Monate — abgebüβt hatte, suchte sie, fragte nach ihr bei Karine. Aber Karine möchte selbst ihn bekommen. Sie schwatzte ihm vor, dass Semiramide einen anderen liebt und ihn nicht braucht… Im Ergebnis ist Tigran fortgefahren, und die, für die er der erste Mann geworden ist, träumte von ihm ihr ganzes Leben lang, das ganz anders werden könnte,wenn ihr Sohn am Leben bliebe, und sie zusammen wären.Würde sie ihn nicht diese sechs Monate erwarten, wenn sie nur das wüβte? Sie könnte so lang erwarten wie es nötig wäre! Aber… als Semiramide von dem Verrat der Freundin erfuhr, hatte sich vieles schon verändert, und vor allem – sie selbst, und sie hatte keine Kräfte , nach dem zu suchen, der in ihrem Herzen für immer geblieben war.

Neue Heimsuchungen

Inzwischen hat der Onkel ihr in Moskau einen Bräutigam gefunden, bald sollten sie kommen. Aber es galt unter den Assyriern als Schande, wenn die Braut keine Jungfrau war, deshalb beschloβ Semiramide, einen beliebigen Mann von einer anderen Nationalität dringend zu heiraten. Eine Schöne brauchen alle, und die Mutter wird alles leichter erleben!” — dachte sie. Es war wirklich nicht schwer, einen Mann zu finden. Robert, ein Armenier aus Nachitschewan, der vier Jahre älter als die Braut war, die in zwei Monaten achtzehn Jahre alt wurde, hat schnell ihr einen Antrag gemacht, zu welchem ihn ihre neue Schwangerschaft bewegt hat ( wie er dachte, — die erste). Die Hochzeit hat stattgefunden, mehr als dreihundert Verwandten sind aus verschiedenen Orten gekommen. Alle amüsierten sich, tanzten, tranken, nur die Braut war traurig — sie weinte, aber die Tränen floβen in ihrem Innern: äuβerlich schien das Mädchen ruhig zu sein. Es war ihm unklar, warum der, den es vom ganzen Herzen liebte, paβte als der Ehemann nicht, und dieser paβte…
Dann begann das Familienleben, das neue Heimsuchungen brachte. Semiramide war in demselben Kellergeschoβ, wo sie geboren wurde, angemeldet aber sie lebte bei dem Mann mit seinen Eltern. Die Schwiegereltern erwiesen sich als sehr gute Menschen, aber ihr Ehemann war Taschendieb. Die Ehe war kurzlebig und war zu Ende, kaum begonnen. “Ich bin keine Dekabristin, um ihm in Gefängnisse und in Verbannungen zu folgen!”- sagte die junge Frau und beschloβ, zu der Mutter zurückzukehren.Und die konnte daraus einen gewissen Nutzen für die Familie ziehen.
Wardias neue Mann war krank und da kam noch zu ihr die schwangere Semiramide zurück. All das hat ihr geholfen, eine Dreizimmerwohnung zu bekommen, obwohl sie nach Moskau mehrmals zu fahren und an verschiedene Kabinetts zu klopfen hatte.
Wardias Enkel Wardges ist gerade in der neuen Wohnung geboren. Als er anderrthalb Monate alt wurde, lieβen sich seine Eltern scheiden.Semiramide arbeitete nicht und saβ mit dem Sohn zu Hause. Sie hatten eine reiche Bibliothek, die die junge Assyrierin hat fast alles gelesen.
Manchmal gefiel ihr auf den Büchern wahrzusagen: sienahm das allererste Buch, machte es aufs Geratewohl auf und begann von dort, wohin ihr Blick fiel, fast die ganze Seite zu lesen, indem sie den Inhalt ihrer Zukunft anpaβte. Tief in ihrer Seele fühlte die Frau, dass sie nicht richtig tat; dass sogar dieser unschuldige Versuch, den Schleier des Geheimnisses darüber zu lüften, was ihr passiert wird, etwas Unerlaubtes ist, was zu schlechten Folgen führen kann: aber das unrealisierte religiöse Gefühl forderte irgendeinen Ausgang. Bis zu einer gewissen Zeit befriedigten diese Zeilen ihre Einbildung, weil sie etwas Gutes versprachen. Gewöhnlich veranlaβte ihre Neugier sie, nach dem Autoren, nach dem Titel des Buches und dem Jahre der Ausgabe zu sehen. Einmal machte Semiramide aufs Geratewohl den ersten Band des zweibändigen Werkes von Oskar Wilde der Auflage von dem Jahre 1961 auf. Und in einem der Märchen dieses englischen Schriftstellers las sie am Ende der Seite drehundertsiebenundfünfig – am Anfang der Seite dreihundertachtundfünfzig folgendes:
“Und sie sagte dem jungen Fischer:
— Ich erzählte dir über die Freuden dieser Welt, aber dein Ohr hörte mir nicht zu. Erlaube mir dir jetzt über die Kummer des menschlichen Lebens zu erzählen, und es kann so sein, dass du mir zuhören wirst. Denn der Kummer ist wirklich der Herrscher dieser Welt, und es gibt keinen Mann, der seine Netze vermeiden konnte. Es gibt solche, die keine Kleidung haben, und es gibt solche, die kein Brot haben. Manche Witwen sind in Purpur angezogen, und manche sind zerlumpt. Aussätzigen wandern auf den Sümpfen, und sie sind grausam zueinander. Auf den groβen Wegen irren Bettler umher und ihre Beutel sind leer. In den Städten wandert der Hunger die Straβen entlang und die Pest sitzt vor dem Stadttor”.
…Semiramide zuckte zusammen. “So weit hast du es also gebracht!”- dachte sie und eine schlechte Vorahnung fesselte mit einem eisernen Reifen ihr Herz.
“Wahrscheinlich habe ich nicht das richtige Buch genommen?” — dachte sie und nahm von dem Bücherregal ein anderes Buch. Das war “Der Mann, der immer lacht” von Wiktor Guogo von der Ausgabe 1969. Auf der fünfhundertsechsundsiebzigen Seite las Semiramide: “Wenn Sie nur wüβten, was hatte ich nur zu sehen! Dort unten sind solche Leiden! Das Menschengeschlecht ist in einen Kerker eingeschlossen. In ihm sind so viele Gefangenen, die nichts schuldig sind! Sie sind dem Licht entzogen, der Luft entzogen, sie haben keinen Mut; sie haben keine Hoffnung; aber am schrecklichsten ist das, dass sie auf etwas noch warten. Legen Sie sich über all diese Nöte Rechenschaft ab. Es gibt Geschöpfe, deren Leben derselbe Tod ist.
Danach ging es Semiramide ganz schlecht. Eigentlich war es eine ruhige Periode in ihrem Leben. Es schien, dass alles Schlechte irgendwo in der Vergangenheit geblieben war; dort ist auch das Gute geblieben – Tigran und das mögliche Glück mit ihm, aber das schien in diesem satten und sorgenlosen Leben, als ob das nicht ihr geschehen war, sondern als ob das aus den in der letzten Zeit gelesenen Büchern genommen war… Die junge Frau dachte nicht nach, woher ihre Mutter und ihr Stiefvater das Geld nahmen. Sie trafen sich immer mit jemandem, kauften etwas, alles schien so anständig — es war nicht so, wie bei dem Taschendieb Robert, dem es gelang, weiter ungestraft zu leben. Aber der anständige, kränkliche Stiefvater wurde festgenommen und schnell verurteilt, nach einer Weile wurde auch die Mutter festgenommen. Zu der Zeit heiratete Lilite einen Abhaser. Die Untersuchung in der Sache von Wardia dauerte eineinhalb Jahre. Und sie brauchten all diese Zeit das Geld für Rechtsanwälte, die Verwandten halfen nicht – im Gegenteil versuchten sie das Gold, das sie hatten, für billiges Geld zu kaufen. Als Ergebnis wurde Wardia zu zehn Jahren verurteilt und nach Mordowien befördert. In dieser Zeit hat Lilite den Sohn Ilja geboren.
Die Beziehungen der Schwestern haben sich verändert. Semiramide war schon überflüssig in der Wohnung, wo ihre Schwester sich für die Besitzerin hielt. Es gab stets Krach. Die jüngere Schwester hatte schon keine Möglichkeit an das Geld nicht zu denken und die Zeit zu verbringen, Bücher lesend. Sie fand eine Arbeitsstelle als Kinderfrau in einem Kindergarten, half auch der Köchin dort, die ihr dafür mehr Essen gab,das die junge Frau nach Hause brachte. Semiramide liebte überhaupt die Kinder. In jedem Kleinen sah sie ihren Erstling, dem es nicht gegeben wurde, zu leben. Indem sie etwas Gute für fremde Kinder machte, dachte die Frau, dass sie ihre Schuld ihm gegenüber ein wenig büβt. Die Erzieherinnen gingen fort, und die Kinder blieben mit der Kinderfrau, die für jeden gute Worte fand, beruhigen konnte, wenn er weinte.
Die Eltern liebten die sorgsame Kinderfrau, die Erzieherinnen wunderten sich, als man ihnen zum 8-ten März je zwei — drei Geschenke geschenkt hatte, und ihr in jeder Gruppe- je achtundzwanzig… Das hat ihr die Liebe der Kollegen aber nicht zugegeben. Als Wardges krank wurde, bekam Semiramide für einen Monat einen Krankenschein. Nach ihrer Rückkehr wurde sie beschuldigt, dass sieTassen und Teller und noch etwas gestohlen hatte. Sie beleidigte sich, bezahlte alles und ging fort.
Die Beziehungen zu Lilite wurden immer komplizierter. Wenn sich die ältere Schwester mit dem Mann so zankte, dass er für einige Zeit fortging und die jüngere Schwester ihr das Geld und das Essen brachte, so war sie nötig. Aber sobald die Beziehungen von Lilite und ihrem Mann besser wurden, brauchte sie die Halbschwester wieder nicht.
Semiramide fand Arbeit in einem Holzverarbeitungswerk. Tagsüber hämmerte sie die Kisten, in der Nacht sortierte sie die Nägel. Sie gewöhnte sich an diese Arbeit. Wardges war oft krank, Lilite verzichtete, mit ihm zu sitzen und die Mutter war gezwungen, ihn mit sich in das Werk zu nehmen, wo er auf einem eisernen Tisch schlief… Das mütterliche Herz blutete ihr bei dem Anblick der Verhältnisse, in welchen sich ihr Sohn befand. Sie hatte das Werk zu verlassen. Die Assyrierin wuβte nicht, wen um die Hilfe zu bitten; sie wandte sich an jemanden, der ihr unbekannt war und aus irgendeinem Grund in der Gestalt eines grauhaarigen wohlgestalteten Mannes mit einem kleinen Bart und in einer ungewöhnlichen Kleidung vor ihr erschien.Sie wuβte nicht, wie er hieβ, aber sie bat ihn. Sie bat, damit er ihr, ihrem Sohn, ihrer Mutter half… Aber niemand hörte sie, wie es ihr schien… Sie war beleidigt und murrte gegen das Leben und das Schicksal.

Der Weg nach unten

Es war immer knapper mit dem Geld. Es gab viele Bücher zu Hause; einst las Semiramide sie, jetzt benutzte sie sie für ein anderes Ziel: sie nahm sie heimlich und gab sie in eine Buchhandlung ab. Als die junge Assyrierin mit dreiβig Bänden von Dikkens erschien, riet ihr die mitleidige Verkäuferin, sie auf dem Markt zu verkaufen, wo sie teurer waren. Dort lernte die Frau mit dem Namen der orientalishen Zarin handeln…
Sie entzweite sich mit der Schwester endgültig, als sie Wadges mit dem Bügeleisen beinahe geschlagen hätte. Die Mutter deckte ihn mt sich selbst, es geschah zwischen den Schwestern ein Wortwechsel. Sie erinnerte sich daran so: “Das Böse verschleierte ihr den Verstand… Ich deckte den Sohn mit mich selbst, aber als ich aufstand, so war vor ihren Augen ein Tier und eine harte Hand… nicht die jüngere Schwester, sondern eine toll gewordene Löwin… all das beruhigte sie für eine Weile. Ich beschloss, aus dem Haus wegzugehen und den Sohn einer Gefahr nicht auszusetzen. Das war von meiner Seite eine unbedachte Tat. Die endlosen Skandalen ermüdeten mich.. Ich kann nicht lange ärgerlich sein, aber ich konnte auch nicht mit ihr in einer Wohnung leben. Wohin konnte ich auβer meiner Heimatstadt Nachitschewan gehen? Ich kannte dort alle, alle Jugendlichen gingen in den Klub “Melodie” tanzen. Viele Leute kannten auch meine Mutter…“Semiramide beschloβ, wegen der Sicherheit des Sohnes nicht zu den Verwandten, obwohl sie sie eingeladen hatten, sondern zu den Zigeunern zu gehen.Wardija lieβ bei ihnen die Kinder taufen, und sie trafen sie wie ihre leibliche Tochter.
— Möchtest du, dass ich dich weissagen lehre? — fragte sie die junge Zigeunerin Nastja, lustig lächelnd.
— Nein, danke, ich habe für mein ganzes Leben schon weisgesagt! — erwiderte ihr Semiramide.
— Ach, was! Und wie hast du weisgesagt? — zeigte das Mädchen Interesse.
Sie musste ihr über die Bücher erzählen. Die lachte:
— Ales ist im Kopf, wie die Groβmutter Esmeralde sagt. Es wird das sein, an was du glaubst!
Semiramide wollte kategorisch nicht weissagen, aber sie muβte sich mit etwas beschäftigen: die Zigeuner konnten bei all ihrem guten Verhältnis sie und Wardges nicht endlos erhalten. Die junge Assyrierin lernte die Kaugummi kochen, und handeln konnte sie schon.
Nach einer Zeit ist sie von den Zigeunern zu der Freundin von der Kindheit fortgegangen, die mit ihrem älteren Bruder wohnte. Sie gewöhnte sich immer mehr an den Nachitschewaner Markt. Zuerst gab man ihr die Waren für Realisierung, dann begann sie selbst die Sachen aufzukaufen. Wie sie sich erinnerte,“ hat sie das so gemeistert, dass sie aus einem Rubel hundert Rubel machen konnte”.
Der südliche Markt ist heute so, wie im Zentralen Russland. Und damals war das eine besondere Welt mit ihrem einmaligen Kolorit. Dort ist es laut, zwischen den Käufern und den Verkäufern werden Gespräche geführt. Jeder von ihnen beweist das Seine und im Ergebnis sind alle zufrieden: der Käufer ist damit zufrieden, dass er den Preis senken konnte, der Verkäufer — damit, dass er ihn so erhöhen konnte… Auf diesem Markt spielten Kriminellen eine groβe Rolle, hier herrschten andere Gesetzte, die sich von den sowjetischen Gesetzten unterschieden.
Semiramide war auf dem Markt wie ein Fisch im Wasser. Ihre Mutter war sehr unternehmend, dafür hatte sie später zu zahlen. Anscheinend, war diese kaufmännische Ader vererbt, obwohl es bis zu Wardija weit war, wie sie es später verstanden hatte.
Neue Probleme kamen von einer unerwarteten Seite. Die Freundin und ihr Bruder tranken Alkohol. Die Mieterin verzichtete anfangs, weil ihr Sohn mit ihr war, aber mit der Zeit begann sie zu trinken, zuerst ein wenig, aber immer öfter. Sie trank Kaffee mit Kognak auf dem Markt, zu Hause trank sie ein Glas Wodka. “Das ist ganz wenig, — meinte sie. — Das ist nur, um munter zu sein”. Aber sie gab in Kaffee nicht dreiβig, sondern vierzig Gramm Kognak zu, ein Glas von vierzig Gramm Wodka verwandelte sich allmählich in hundert Gramm.
Einmal begegnete sie ihrer russischen Freundin Nina, mit der sie seit vier Jahren befreundet war.
— Semiramide, bist du das? — rief sie sie auf dem Markt.
— Ninotschka! – freute sich die Assyrierin.
— Wie geht es dir?
— Ich handele… Wardges! – rief sie plötzlich den Sohn und sagte der Freundin, schuldig lächelnd: — Er geht mit mir zum Markt, alle lieben ihn hier, bemühen sich ihm einen Kuchen zuzustecken, er überiβt sich so, dass er Magenschmerzen bekommt… Und wie geht es dir?
— Alles ist gut.
— Möchtest du Kaffee?- bot Semiramide an.
— Nein, danke.
— Und ich trinke eine halbe Tasse, — nahm Semiramide eine Thermosflasche heraus, schenkte Kaffee ein, tropfte darin etwas aus der Flasche.
— Was ist das? -fragte Nina.
— Kognak. Es ist sehr gut mit Kaffee zusammen, ich wuβte das früher sogar nicht. Hast du so was gekostet?
— Nein, — antwortete die Freundin, ein wenig runzelnd. – Und wo wohnst du mit Wardges?
— Bei meiner Bekanntin, — antwortete die Assyrierin, ohne eine verächtliche Grimasse zu bemerken.
— Und wie ist es mit ihrer Wohnung, die Tanta Wardija bekommen hat?
— Dort wohnt Lilite mit der Familie. Ich denke,ob ich sie teilen würde?
— Und warum nicht? Wodurch ist deine Schwester besser als du? Do sollst bei fremden Leuten umherlaufen und sie lebt wie eine Herrin!
— Nur sag das vorläufig niemandem!
— Auf keinen Fall! Natürlich sage ich nichts!
Zu schweigen versprochen, rief Nina am selben Tag Lilite an und sagte, dass ihre Schwester die Wohnung wechseln und das Geld vertrinken will. Und man soll den Sohn bei ihr abholen: er ist hungrig, bettelt Kuchen bei den Menschen…
Lilite schrieb Wardija; die schickte Semiramide einen Brief mit der Bitte, die Wohnung nicht zu tauschen, ihr die Möglichkeit zu geben, eine Zuflucht zu haben, wenn sie freigegeben wird, und den Sohn der Schwester abzugeben, damit man bei ihr die Überschüsse der Wohnfläche nicht abnehmen würde. Und sie gehorchte der Mutter, was sie später bereute.
Am Ende des Lebens erinnerte sie sich daran so: «Ich glaube, die Liebe zur Mutter meinen Verstand getrübt hat. Ich liebte meine Mutter sehr, und wenn sie um mein Leben bäte, würde ich es geben, ohne zu zögern. Ich habe gehört, dass der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert ist. Wie konnte mein Sohn freundlich und liebevoll aufwachsen, wenn er von der Kindheit an hörte: „deine Großmutter ist im Gefängnis und die Mutter ist Säuferin“… Semiramide gab den Sohn ihrer Schwester ab, Wardges wuchs schlau, liebte niemanden, nur das Geld.
Semiramide begann viel zu trinken. Und auf dem Markt, und zu Hause. Sie fühlte sich wertlos, nutzlos. Manchmal konnte die Frau nicht trinken, aber dann waren ihre Augen am nächsten Morgen vom Weinen in der schlaflosen Nacht geschwollen. Die Welt schien ihr so grausam und böse, dass es einfach nicht möglich war, auf sie mit nüchternen Augen zu sehen. Über ihren Zustand hat die Frau dann so geschrieben: «Eines Tages trägt der Mensch die Maske eines Gefallenen, um den Schmerz zu unterdrücken, aber wenn man sie ständig trägt, dann klebt sie an ihm. Er wird zu dem, hinter dessen Maske er sich verbirgt». Wie alle Alkoholiker meinte sie, dass in all ihrer Schwierigkeiten irgend anderer schuld war, nur nicht sie selbst.

Die neue Ehe

Einmal auf dem Markt rief jemand Semiramide, die tief in traurige Gedanken an das Leben versunken war:
— Hallo, Schönheit!
Sie hob erstaunt die Augen, warf auf den Redenden einen schnellen Blick. Seit langem hat sich niemand an sie so gewandt. Vor ihr stand ein ziemlich gut aussehender junger Mann, nach dem Aussehen war er ihr Stammesangehöriger. «Es ist interessant, ob ich wirklich noch schön bin?»,- dachte die Assyrierin, aber laut sagte sie scharf:
— Eine Schönheit, die ja nicht für dich ist!
Zufällige Kavaliere lieβen sie in Ruhe, wenn sie ihre Aggression sahen, aber dieser schaute ihr nur ein wenig verwirrt in die Augen an und fragte leise:
— Warum nicht? Hast du einen Mann?
— Nein, ich habe keinen Mann, und ich will keinen! — noch schärfer antwortete die Frau.
Ein anderer würde sie in Ruhe lassen, und dieser sagt so ruhig:
— Und es kann so sein, ich werde dein Mann sein, wer weiß?
— Du!!? – Semiramide brach in Lachen aus, aber schaute ihn durchdringend an und stockte plötzlich.
— Warum nicht? – fragte der Mann und schaute ihr direkt in die Augen.
— Der Mann hat zu viel Birnen gegessen! – murmelte die Assyrierin und fragte schon ruhig: – Und wie heiβt du?
— Zakchei. Und du?
— Semiramide.
— Ich wusste sofort, dass du die Zarin bist!
-Ach, was du nicht sagst! — verlegen murmelte die Frau. – Und welcher Nation bist du?
— Assyrier. Und dich werde ich nicht fragen: dein Name und deine Augen sagen alles selbst.
— Und was sagen sie?
— Dass du die Tochter des gleichen Volkes wie die Zarin bist, deren Namen du trägst.
— Schön singst du! Aber kluge Menschen sprechen beim ersten Treffen über die Ehe ernst nicht. Willst du über mich lachen?
Ihr Gesicht wurde wieder zornig, aber Zakchei sah, dass ihre Strenge gekünstelt ist.
— Wollen wir heute nach deiner Arbeit irgendwohin gehen, — schlug er vor.
— Glaubst du ich habe nichts zu tun, nur irgendwo mit flüchtigen Bekannten zu schlendern! – schlug Semiramide die Hände zusammen. – Vielleicht hast du mich für eine leichtsinnige Frau gehalten?
— Nein, natürlich nicht, — lachte der junge Mann, und sein Lachen entwaffnete sie.
— Nun, wenn nicht, dann weißt du, wo ich stehe, komm, wenn es stark notwendig wird. Und wenn du nicht kommst, so ist es mir besser! — sagte die Frau.
Sie dachte, dass sie diesen zufälligen Freund nie mehr sehen wird, aber er kam am nächsten Tag. Er begann über sich zu erzählen, dass er aus der Ukraine kommt, wo er mit seiner Mutter in der Stadt Ilowaisk gelebt hatte. Er kam nach Rostow-am-Don, um Geld zu verdienen, er reparierte Nähmaschinen. In diesen heißen Sommertagen, die nach den Empfindungen der Assyrierin Veränderungen zum Besseren versprachen, hatten sie ein paar unverbindliche Treffen auf dem Markt, nach denen er plötzlich ihr einen Heiratsantrag machte und bot ihr an, in die Ukraine zu fahren.
Semiramide war einverstanden: sie hatte es über, unter Säufern zu leben, und Zakchei trank sogar keinen Bier. Sie gab die Zustimmung, mit ihm in eine andere Republik zu fahren, obwohl sie sich noch nie geküsst hatten. Schon in der Ukraine, als sie zum ersten Mal in der Nacht zu zweit blieben, fragte Semiramide:
— Gut, ich war dumm, als ich beschloβ, aus dem Sumpf, in dem ich ertrank, an den Rand der Welt fortzufahren. Aber du bist ja schon kein Grünschnabel. Wie wagtest du, dein Leben mit einer Frau zu binden, die du nicht mal berührt hattest?
Und er antwortete ernsthaft:
— Es gibt verschiedene Frauen. Es gibt solche, wenn man ihnen in die Augen anblickt, so ist dieser Blick teurer als tausend Nächte mit anderen!
— Tausend-und-eine, — grinste die Assyrierin zufrieden. –Ich habe dieses Märchen einst gelesen. Aber dort hat sie ihren Mann nicht nur mit Märchen genährt, sie hat ihm auch Kinder geboren.
— Und du wirst mir Kinder gebären! – plötzlich sagte Sakchei überzeugt, packte sie, küsste…
Neun Monate später wurde bei ihnen die Tochter geboren, ein Jahr später — die zweite.
Die Assyrierin hoffte, dass, wenn alles gut geht, sie Wardges abholen kann. Sie entschied sich nicht, ihn sofort mitzunehmen: obwohl Zakchei ihr sagte, dass er bereit ist, sich um ihren Sohn auch zu kümmern, war er für sie ein unbekannter Mann. Und wenn es Wardges schlechter geht, als bei Lilite? Semiramide, sogar angefangen zu trinken, wurde nicht zu einer Hure, sie kümmerte sich weiter um ihr Kind. Der neue Mann liebte sie mit der Zeit noch stärker, aber sie konnte ihn nicht liebgewinnen.
Die Beziehungen zu der Schwiegermutter haben von dem ersten Treffen nicht geklappt. Die Mutter von Zakchei, trotz seiner Beteuerungen, dass Semiramide ihr unbedingt gefallen wird, traf seine Freundin unfreundlich.
— Und wen hast du gefunden? – schrie sie mitten auf der Straße, ohne sie sogar einzuladen, in das Haus einzutreten. – Und auf welchem Flohmarkt hast du diese Hure ausgegraben, deren Preis ein Pfennig am Markttag ist, aber niemand wird ihn geben! Ich wusste immer, dass mein Sohn ein Idiot ist, der mein Herz einmal brechen wird. Ich vermutete, dass er eine Hure heiraten wird, aber nicht wie diese! Sie trinkt wohl: auf der Fratze ist alles geschrieben! Auf ihr ist nirgends die Probe zu stellen! Gucke nicht auf mich mit deinen schamlosen Augen!
Zakchei war verwirrt und fand nicht, was zu sagen war. Semiramide erinnerte sich später: «Als wir zu ihm nach Hause kamen, traf uns seine Mutter mit solchen Worten und Flüchen, dass sogar ich, ein Marktweib, verblüfft war, aber nur für den Bruchteil einer Sekunde». Und dann schrie sie auch schrill:
— Wahrscheinlich bist du selbst eine alte Närrin und eine Hure, weil was man in sich selbst nicht hat, sieht man in einem anderen nicht. Ich wusste, dass ich nicht brauchte, in die Ukraine zu ziehen, es gibt hier nichts Gutes, aber ich glaubte deinem Sohn, dass er mich liebte. Ich warf meine heimischen Orte, Verwandten, Freunde, ging hinter ihm, alles verlassen. Also, er soll entscheiden. Wen brauchst du, Sakchei, mich oder deine Mutter?
Er wählte Semiramide, ohne zu zögern. Das schockierte seine Mutter so, dass sie die beiden mit einem Haufen von Flüchen überschüttete, nebenbei ihrer zukünftigen Schwiegertochter bemerkend:
— Meinst du nicht, dass du an mich auf Sie wenden sollst?
— «Entschuldigen Sie»,- lächelte Semiramide sanft und mit der sanftesten Stimme, wie sie nur konnte, sagte: Sie sind eine alte Närrin und eine Hure, die sogar Ihr Sohn nicht braucht, Sie haben keinen Verstand, keinen Takt, lassen die anderen beides verlieren. Ich verspreche nicht, dass ich Sie lieben werde, aber ich verspreche, an Sie auf Sie zu wenden!
Und sie lächelte zum Abschied noch einmal mit ihrem entwaffnenden Lächeln, das sie ein „Hollywoodlächeln“ nannte. – Warum bist du so mit ihr? — fragte Zakchei, als sie weggingen.
— Und warum ist sie so? – sofort brauste seine Verlobte auf. — Oder hast du gedacht, mich hierher zu bringen, um sie zu unterhalten, damit sie mich verhöhnte, wie sie das nur wollte?
— Nein, beruhige dich, — antwortete er ihr sanft. – Jetzt finden wir, wo wir übernachten könnten und morgen mieten wir eine Wohnstätte.
Am nächsten Tag mieteten sie ein Haus, bald heirateten sie. Als zwei Töchter bei ihnen geboren wurden, bekamen sie eine neue Wohnung.
Wardija wurde freigelassen; der Stiefvater von Semiramide war zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Bei Lilite gab es keinen Platz in der Wohnung für die Mutter. Wardija hatte immer noch Erfolg bei Männern, trotz all der vergangenen Jahre der Heimsuchungen; sie heiratete noch einmal und wohnte bei ihrem Ehemann.
Und Semiramide hatte immer öfter Krach mit der Schwiegermutter, obwohl sie getrennt von ihr lebte. Sie begann wieder zu trinken, aber dabei arbeitete sie viel: sie nähte die Kinderkleidung und verkaufte sie selbst. Sie lieβ ihren Mann, eine Schusterwerkstatt eröffnen, damit er in die Stadt zur Arbeit nicht zu fahren hatte. Und er lieβ sich bald von dem Spiel fortreiβen. Zuerst waren es die Tickets der Lotterie «Sprint», «Sportlotto». Semiramide beschloβ, aus der Ukraine zurück nach Rostow-am-Don zu fahren. Sie fand einen Austausch für ein Haus aus drei Zimmern. Wardija arbeitete damals auch in einer Schusterwerkstatt, sie half Sakchei auch eine gleiche zu bekommen. Aber seine Leidenschaft für das Spiel schritt fort – er begann im Rennen zu spielen. Seine Frau brach zusammen und begann zu trinken… Sie brauchte ihren Mann nicht mehr.
Dann, viele Jahre später, schrieb sie: «Um sich selbst zu retten und sich von dem Schlechten zu befreien, muss man an sich selbst erinnern, dorthin laufen, wo Sie Ihre Kindheit verloren haben. Ich habe vergessen, wer ich bin. Ich war wütend auf die anderen und rief mich, das damalige Mädchen, an das ich mich nicht erinnern konnte. Jenes, das nicht trank und sicher war. Ich habe versucht, mich selbst in den Kindern zu finden, obwohl ich von Anfang an wusste, dass die Kinder etwas anderes waren. Aber es konnte sein, dass ich nach einer Ausrede suchte, um zu trinken…»
Semiramide trank weiter; das Spiel des Mannes war die Rechtfertigung ihrer Trunkenheit. Alles in ihm ärgerte sie, auch die Tatsache, dass er sie «Sima» nannte – «Was bin ich für dich – eine Katze?» — erwiderte Semiramide empört, auf ihren königlichen Namen stolz, ohne die Erklärungen des Mannes zu hören, dass man so in Russland die Mädchen nennt, die nicht nur den zaristischen sondern auch den höchsten Engelnamen Seraphima tragen… «Vielleicht wirst du mich noch Simka nennen!» – schimpfte sie. Vor kurzem hat sie einen furchtbar teuren zu der Zeit Handy erworben, Simka hieß « ein Ding, das in ihn eingesteckt wurde». «Du hast mich geärgert, nun wollen wir trinken!» – erklärt die Assyrierin. Und früher war der Anlass zum Trinken die Tatsache, dass ihre Mutter und ihr Sohn nicht neben waren. Es gab immer einen Anlaβ… Bald hat sie überhaupt Sakchei aus dem Haus vertrieben, sie ließen sich scheiden. Er fuhr fort, zu spielen; jetzt waren das Automaten am Bahnhof. Ihre Töchter waren sieben und sechs Jahre alt.

Heimsuchung durch Reichtum

Bei Wardija starb ihr Mann. «Ob ich eine schwarze Witwe bin? – lachte sie bitter. – Ich bringe Unglück den Männer, die mich lieben». Und viele liebten sie in zuihrem Leben, und jedes Mal heiratete sie. «Aber es reicht schon, es ist die Zeit für die alte Assyrierin nicht an die Männer sondern an die Töchter und Enkel zu denken», — beschloβ Wardija und zog zu der jüngeren Tochter um, die sich gerade von Sakchei getrennt hatte.
«Lilite braucht mich nicht, und ich habe dir vieles im Leben verdorben, und jetzt helfe ich dir!» sagte sie Semiramide. Aber die Tochter vergaβ schon die Zeiten, als die Mutter eine Wohnung in Moskau erlangt hatte, sie mit dem Kind zu Hause sitzen gelassen hatte, ohne zu arbeiten und zu denken, woher alles kommt. Sie ist jetzt in ihrer Wahrnehmung eine unglückliche kranke Frau, die selbst Hilfe braucht. Aber sehr bald wurde es der Tochter klar, dass sie mit all ihrer Erfahrung des Handels auf dem Markt und der Fähigkeit, «aus einem Rubel hundert Rubel zu machen» nur ein Kind vor ihrer Mutter war.
Das Ende der achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts erlaubte vielen unternehmungslustigen Menschen in der Sowjetunion, Geschäfte zu machen. Regeln gab es keine, das Risiko war groß. Vermögen erschienen plötzlich und verschwanden ebenso schnell und spurlos. Aber die Mutter und die Tochter begannen ein Gemeinschafts-Unternehmen zu betreiben: sie brachten die Farbe für die Haare aus Polen. In dieser Zeit wurden sie schnell reich. Der Handel ging schnell, und bald brachten sie mit LKW-Transporten nicht nur die Farbe, sondern auch andere Waren.
Sie haben mehrere Häuser gekauft. Sie fuhren mit privaten Fahrern. Sie lebten auf großem Fuß, nahmen die Schulden mit Zinsen, obwohl sie irgendwo sparen könnten. Bei Semiramide erschienen Herrenmanieren, und die Mutter wies sie zurecht:
– Nein, meine Tochter, glaub meiner Lebenserfahrung: das Reichtum kommt und geht fort. Es ist einfacher denjenigen, deren Leben gleichmäβig ist, ohne Aufstiege, sie haben auch keine sehr schmerzhaften Stürze!
– Aber so ein Leben ist langweilig! — lachend antwortete Semiramide, die das Reichtum, das plötzlich ihr auf den Kopf gefallen war, nicht schlechter als der Wein betrunken machte.
– Ich ziehe lieber vor, sich zu langweilen, als in Mordowien Spaβ zu haben, – traurig sagte Wardija.
– Nun, laβ solche Gedanken! Alles wird gut sein, das Leben ist kurz, wir müssen Spaß haben! – entgegnete ihr die Tochter.
– Es ist nicht notwendig, viel Spaß zu haben, sonst hätten wir dann zu bitter zu weinen! – schüttelte die Mutter den Kopf, wissend, dass ihre Worte nicht gehört werden.
Und in der Zwischenzeit erschienen immer öfter die Verwandten, die vorher nicht wollten, über sie etwas hören, sie sprachen darüber, wie sie sie lieben. Auch Watdges, der früher nicht wollte sie kennen, begann, zu ihnen immer häufiger zu kommen. Das erste Mal kam er, umarmte die Mutter und die Großmutter, weinte, sagte, dass er um Vergebung bittet, weil er vermieden hatte, den Kontakt mit ihnen zu haben.
– Es gibt keine Entschuldigung für mich! – sagte er. – Verzeihen Sie mir!
Und Wardija, und Semiramide, denen er die Hände küßte, sind sofort geschmolzen. Sie waren bereits erfahrene Frauen, und, natürlich, sie fühlten die Falschheit, aber man will an das glauben, woran man will. Und sie wollten glauben, dass ihr Junge die Kraft gefunden hatte, das zu überwinden, was ihm Lilite eingegeben hatte.
Er kam mit einem demütigen Blick, sanft in die Augen bald Wardija, bald Semiramide schauend, sagte, dass die Tante Lilite ihm sie nicht so beschrieben hatte, wie sie wirklich sind.
– Ich bin stolz, dass ich dein Sohn bin, — sagte er der Mutter, und der Großmutter erklärte er in bunten Farben, mit welchem Stolz sein Herz voll sei von dem Bewusstsein, dass er ihr Enkel sei.
In seinen Augen waren Tränen: wie konnte man ihm nicht glauben, dass er aufrichtig in seinen Worten war? Nur nach ein paar Treffen begann Wardges über seine Schwierigkeiten im Leben zu erzählen, die ihn verfolgten; wie es furchtbar schwer war, mit ihnen zu kämpfen.
– Aber ich kann nicht bei den Frauen verlangen, die alles dank ihrer Arbeit verdienen! – erklärte er so überzeugt, dass es eine Blasphemie schien, an seiner Aufrichtigkeit zu zweifeln. – Sie sind für mich ein Beispiel dafür, wie man leben und arbeiten muss, auf welches schauend, kann ich selbst vieles machen: denn ich bin ein Mann, also muss mehr erreichen. Wenn nur die Schwierigkeiten, die jetzt mich verfolgen, mich nicht töten würden; denn, wie Nietzsche sagte, alles, was uns nicht tötet, macht uns stärker.
So bat er um nichts, und die Frauen, die vor ihm ihre Schuld fühlten, versuchten selbst, ihm etwas zu geben. Zuerst ein wenig, dann mehr, dann begann er selbst zu bitten, dann auch zu verlangen, seine letzten Worte vergessend, dass er alles selbst erreichen wird…
Das leicht verdiente Geld half Wardges nicht – er wurde süchtig nach Drogen. Im Endeffekt geriet er in eine unangenehme Situation, ihm drohte eine Haft von sechs bis fünfzehn Jahren. Wardija, die in solchen Fällen erfahren war, gab jemandem eine Bestechung — er wurde zu drei Jahren verurteilt. Und sie erhielt das ganze Lager drei Jahre lang, damit es ihrem Enkel dort komfortabel wäre…
Wardges wurde freigelassen, die Mutter und die Tochter dachten, dass jetzt alles besser wird. Und dann sprang der Dollar auf, und viele Schulden waren in US-Dollar. Sie mussten schon eine ganz andere Summe zurückzahlen. In der gleichen Zeit gab Wardija einem angereisten jungen Assyrier, trotz der Schwierigkeiten, ein Darlehen von dreitausend US-Dollar ohne Zinsen. Als die Zeit gekommen ist, die Schuld zurückzuzahlen, verschwand er… Während der Blütezeit des Familienunternehmens haben die Mutter mit der Tochter ein paar Häuser und eine kommunale Wohnung gekauft. Um die Schulden abzuzahlen, mussten sie die Häuser verkaufen, nur die kommunale Wohnung blieb ihnen.
Und in diesem Moment erschien Sakchei nach einer langen Abwesenheit. Er sagte, dass er in den Automaten verloren hatte, dass man ihn töten wird, wenn er die Schulden nicht bezahlt. Semiramide sah bitter auf den, der noch vor kurzem sie so geliebt hatte, dass sie bereit war, auf seine Liebe zu antworten. Jetzt war vor ihr ein kranker Mann, dem das Spiel teurer als die Frau war, die er mehr als alles andere auf der Welt liebte, die teurer als die Töchter war.
– Ich helfe dir, sagte Semiramide. – Aber du sollst verstehen, dass ich dir alles, was ich habe, in Erinnerung daran, wie du mich geliebt hast, gebe. Wir werden keine Zukunft zusammen haben. Aber finde endlich für sich selbst, in Erinnerung an die Liebe, die einst in deinem Herzen gelebt hat, die Kraft, sich zu ändern und ein Mann zu werden, und nicht ein Spieler!
Sie verkaufte die letzte kommunale Wohnung, gab ihm das Geld, damit er nicht getötet wurde. Er hat die Schulden abgezahlt, hat wieder verloren und ist in die Ukraine gefahren. Aber Semiramide bedauerte nicht, dass sie das Letzte, was sie hatte, dem Mann, der sie einst liebte, gegeben hat. Wardija schimpfte sie auch nicht. «Vielleicht hast du recht, — traurig sagte sie. – Aber wie werden wir mit dir leben? Und vor allem – wie werden deine armen Töchter leben?»

Die Rückkehr in den Keller

Die Mutter und die Tochter, die nichts mehr hatten, mieteten ein kleines Haus in der Nähe von Nachitschewaner Markt. Sie begannen mit Schmucksachen zu handeln. Der schnelle Wechsel des sozialen Status hat dazu geführt, dass sie schnell begannen, immer tiefer zu sinken. Die Verwandten haben von ihnen abgewandt, und der erste – Wardges: ohne Geld brauchte er sie nicht. Er hatte nicht die geringste Dankbarkeit für das, was die Großmutter und die Mutter für ihn getan hatten. Außerdem beschuldigte er sie, dass er in Haft genommen worden war, erklärend, dass ihr zu Unrecht erworbenes Geld und ihre schlechte Vererbung die verheerende Wirkung auf ihn ausgeübt hatten.
Semiramide trank immer mehr: auf dem Markt – Kaffee mit Kognak, in dem es schon fast keinen Kaffee gab, und zu Hause trank sie Wodka vor dem Spiegel. Das Spiegelbild gab die Illusion, dass sie nicht allein trank, was bedeutete, dass sie keine Alkoholikerin war.
Sie wusste nicht, wie ihre Situation zu verbessern war. Die Assyrierin war immer eine große Träumerin, und der Alkohol gab ihren Phantasien einen schmerzhaften Charakter. Irgendwo hörte sie, dass es möglich war, eine Niere zu verkaufen. Ohne lange nachzudenken, gab sie eine Anzeige in mehrere Zeitungen, dass sie ein solches Geschäft machen wollte. «Nun, was für ein Narr bist du! – schimpfte ihre Mutter. – Wie wirst du ohne Niere leben? Und wer wird deine vertrunkene Niere brauchen?»
«Nein», — verschmitzt lächelnd, sagte die Tochter. In der einen Hand hatte sie ein bis zum Rand gefüllten facettierten Glas mit Wodka, in der anderen – eine Scheibe Zitrone. Sie sah in den Spiegel und fand, dass sie sehr schön war…
– Was nicht?
— Du hast nicht recht! Man wird sie kaufen, und wir verbessern unsere Situation! Und sie ist nicht vertrunken! Alles wird bei uns klappen, wir beginnen wieder gut zu leben!
– Du bist mein dummes Mädchen, – weinte Wardija und umarmte ihre Tochter. – Was hast du erreicht!
Es gab keine Käufer, aber die Reporter begannen in Scharen zu kommen. Zuerst waren die Artikel in der lokalen Presse, dann in Moskau. Nur mit der Zeit verstand Semiramide, dass man über sie lachte…
Noch vor kurzem waren sie reich, und nun wurden sie Obdachlosen. Nur bei Wardija war der Pass mit der Anmeldung – eine wenig bekannte Frau hat sie fiktiv angemeldet, die Mitleid mit ihr hatte, damit sie die Rente erhalten konnte.
Semiramide sagte der Mutter:
– Wir haben mit dir sehr vielen Menschen geholfen. Deshalb wird man auch uns helfen!
— Wer? Die Verwandten, die uns nicht kennen wollen? – bitter lächelte Wardija.
– Nein, nicht Verwandte! – verschmitzt lächelte Tochter und trank mit einem Schluck ein halbes Glas Wodka. – Jetzt ist das Internet erschienen, ich werde dort ein Schreiben unterbringen, und wir werden sehr bald nicht wissen, was mit dem Geld zu tun!
Zunächst wandte sie sich an den Assyrern der ganzen Welt mit der Bitte zu helfen, aber niemand schickte sogar einen Rubel. Dann war ein Appell an die Menschen auf der ganzen Welt mit dem gleichen Ergebnis. Darüber, wo genau ihr Appell untergebracht ist, wie viele Menschen ihn lasen, ob jemand überhaupt diese Webseite besucht, dachte die Frau nicht nach. Sie meinte, wenn das im Internet geschrieben steht, dann bedeutet das, dass alle Menschen der Welt über ihre Schwierigkeiten wissen. «Niemand braucht uns!» – mit der Bitterkeit sagte sie der Mutter.
Wardija, die realer als ihre Tochter dachte, wandte sich an das Haupt der assyrischen Diaspora in Rostow-am-Don. Er gab siebenhundert Rubel aus seinen eigenen Mitteln, aber das konnte die Lage nicht retten. «Ich schäme mich für mein Volk, ich schäme mich, dass ich Assyrierin bin!» – schrie Semiramide, als sie erfuhr, wie das Ergebnis der Bemühungen ihrer Mutter war. «Gut, mindestens das hat er gegeben!» – traurig lächelte die Mutter, die, im Gegensatz zu der Tochter, keine Illusionen in Bezug auf das Leben hatte. Nichts konnten sie für das gemietete Haus zahlen, sie mussten in den Keller gehen, in dem sie einst gelebt hatten. Dreißig Jahre sind bereits vergangen, als die Mutter und die Tochter ihn verlassen hatten, und jetzt mussten dort auch die Töchter von Semiramide wohnen, die immer mehr trank und immer weniger irgendwem glaubte. Der Keller war leer, roh und kalt.
Rostow-am-Don ist eine große Süd-Stadt und nur einhundert Kilometer von der Ukraine entfernt. Dort gibt es immer viele Besucher, unter den einheimischen Menschen gibt es Menschen verschiedener Nationalitäten. Im Zentrum von Rostow, in der Heimat von Semiramide Nachitschewan, die einst eine eigenständige Stadt gewesen war, an der Stelle, wo die Statue der Kaiserin Katharina gestanden hatte, steht jetzt das Karl Marx-Denkmal. Nach der Idee von seinen Schöpfern der neuen sozialistischen Realität sollte der Schöpfer der marxistischen Lehre die Stadt begünstigen, der als eine Art religiöses Symbol des sich von der Religion losgelassenen Landes war.
In Nachitschewan gibt es auch jetzt viele alte Häuser, die als Denkmäler der Architektur anerkannt wurden. Einige von ihnen stehen leer mit scheibenlosen vernagelten Fenstern.
Heute haben sich Lebensbedingungen, in denen die Menschen in Russland leben, hauptsächlich zum Besseren im Vergleich zum Ende des letzten Jahrhunderts verändert. Es ist schon schwierig, sich vorzustellen, dass die Möglichkeit, in einem Halbkeller zu wohnen, die ganze Familie erfreuen konnte. Aber es gibt solche Familien auch heute noch, und was ist über die Wende des zweiten und des dritten Jahrtausends zu sagen, als viele Menschen wegen ihrer Naivität und der Unfähigkeit, unter den Bedingungen eines wilden Kapitalismus zu leben, das Recht auf Wohnraum verloren haben!
…Sie siedelten sich eigenmächtig an, ohne jemanden um die Genehmigung zu fragen. Semiramide meinte so, wenn sie in ihm früher gelebt hatten, und jetzt niemand dort wohnt, dann haben sie alle gesetzlichen Rechte auf ihn. Und Wardija, über die Naivität der Tochter schmunzelnd, dachte, wenn sie fragen, so wird man nicht erlauben, und so kann man zumindest leben, bis man sie vertreiben wird.
Der Herbst war in diesem Jahr feucht. Es regnete ständig, ein kalter Wind zog durch. Das alte Haus der Assyrierinnen rettete nicht vor der Kälte; sie dachten mit der Angst, wie sie dort im Winter leben werden.

Der Verkäufer der Uhren

Auf dem Markt, wo die Assyrierin handelte, in der Nähe von ihrer Stelle, arbeitete ein Mann, der die Uhren verkaufte. Sie lernten einander kennen und manchmal hatten sie lange Gespräche. Er war ein Gläubiger und erzählte über die Dinge, die für Semiramide damals unverständlich waren. Er erzählte, wenn man den Herrn um etwas mit dem Glauben bittet, so wird Er, wenn auch nicht sofort, aber unbedingt helfen. Das schien ihr etwas nicht mit ihr verbunden. Sie trank bereits bis zum Verlust des Bewusstseins. Sie war schon müde zu kämpfen, sie hatte Angst vor der Zukunft. Und der neue Freund setzte fort, zu erzählen. Er sprach über die Heiligen und ihre Heldentaten, und dass sich der Gott vor den gefallenen Menschen nicht ekelt, dass alles, was geschieht, geschieht nicht ohne Seinen Willen; er sprach über die Freiheit der Wahl, die das Schicksal des Menschen bestimmt.
– Wenn man den Herrn mit dem Glauben bittet, dann wird Er helfen, unbedingt wird Er helfen! – selbstbewusst sagte der Mann.
– Wem kann man hier helfen! – bitter rief die betrunkene Assyrierin aus. – Es gibt sie nicht, der man helfen konnte! Das, was ist…
Sie fing an zu weinen, und unter Tränen murmelte:
– In der Kindheit habe ich immer von der traumhaften Königin, deren Namen ich trage, geträumt, dass ich auch so schön, wie sie werde… Und in was habe ich mich verwandelt…
– Vor dem Gott bist du so schön, wie schön in deinen Augen die märchenhafte Königin ist, deren Namen du trägst, und sogar noch schöner, — antwortete ihr der Verkäufer der Uhren.
Semiramide schmunzelte bitter und fragte:
– Sag, ich verstehe nicht: wem kann eine betrunkene Frau gefallen? Niemandem! Aber du verlässt deine Ware, setzt sich neben mich und redest über den Gott. Wozu brauchst du das?
– Nichts auf dieser Welt geschieht zufällig. Wahrscheinlich, sind diese Gespräche notwendig.
– Für wen? Ich verderbe mich von selbst! – mit Tränen in den Augen rief die Frau aus. – Wahrscheinlich ist es auch dem Gott widerlich, auf mich zu schauen!
– Nein. Er weiß doch, dass niemand sich ohne Grund ruinieren wird. Wende dich an Ihn mit dem Glauben, und du wirst die Hilfe bekommen!
– Wie ist daran zu glauben, was man nicht sieht? Wie kann man mit dem sprechen, der nicht greifbar ist?
Die Antwort auf diese Fragen wollte die Frau nicht hören; das Gespräch kostete ihr viel Kräfte.
Aber die Antwort auf diese Fragen kam unerwartet. Bei Semiramide erschien noch eine Bekannte – eine in der Welt lebende Nonne. Sie sprach auch viel mit ihr, brachte die geistliche Literatur.
– In deinen Büchern ist sehr viel und klar geschrieben, wie der Herr ist, und was Er für unsere Erlösung gemacht hat, sagte ihr die Assyrierin. – Der Verkäufer der Uhren konnte mir das nicht erklären…
– Aber er bewegte dich über diese Fragen nachzudenken.
Einmal brachte die Nonne ein dickes altes Buch. «Das Leben und die Wunder des Heiligen Nikolaus und sein Ruhm in Russland», — las Semiramide auf dem Umschlag und aus der Gewohnheit sah sie auf das Erscheinungsjahr: 1899.
– Ich habe einst gern gelesen, — sagte sie. – Aber das ist ein sehr großes Buch, das ganze kann ich nicht überwältigen. Weißt du, ich hatte früher eine schlechte Angewohnheit, das Buch aufzumachen und in das, was aufgemacht wird, meine Zukunft zu sehen.
– Wirklich, eine schlechte Angewohnheit! – rief die Freundin. – Das wird sie nicht zum Guten führen!
– Wie du siehst, hat das nicht geführt, obwohl ich nicht denke, dass nicht der wichtige Grund war, warum ich so wurde, – mit einem bitteren Lächeln sagte die Assyrierin.
– Aber hoffentlich, willst nicht auf dem heiligen Buch raten?
– Nein, ich werde nur eine Seite für den seelische Nutzen lesen, — antwortete Semiramide, und es war unklar, was sie wirklich dachte.
Sie begann zu lesen auf der fünfhundertneunundneunzigen Seite, dann las sie auch das, was auf der sechshunderter Seite war. Obwohl die vorrevolutionäre Rechtschreibung sie ein bisschen verwirrte, schien der Inhalt des Gelesenen sehr interessant:
«Der Sohn des Tomsker Bewohners Ivan Momotow, noch ein Knabe, Vassily litt seit drei Monaten so «von der dämonischen Quälerei», dass er den Verstand, das Gedächtnis und die gesamte körperliche Stärke verloren hatte, er war nicht in der Lage, sich zu bewegen und seine Glieder zu bewegen und lag völlig entspannt. Der Vater rief viele Ärzte zu dem Sohn, aber keiner von ihnen half dem Kranken in seinen Qualen, bis schließlich der wunderbare Helfer – der Heilige Nikolai den Leidenden besuchte. Einmal lag dieser junge Mann, von der Krankheit halbtot, und da erschien ihm in Wirklichkeit ein wohlgestatteter Mann in seiner Bischofskleidung, mit dem strahlenden weißen Bart, trat an das Bett des Kranken und sagte zu ihm: «steh auf». – «Ich kann nicht, mein Herr, aufstehen, — antwortete der Knabe, denn ich habe absolut keine körperlichen Kräfte.» Dann nahm der alte Mann seine Hand und hob ihn auf, sagend: «Von mir, Seinem Sklaven befiehlt mein Herr Christus dir von diesem Bett aufzustehen und gesund zu sein.» In vollem Bewußtsein rief der Knabe in der Antwort aus: «Welche Dankbarkeit werde ich Dir, mein Herr, für Deinen gnädigen Besuch bringen?!» Der alte Mann sagte zu ihm: «Jetzt steh auf, geh in die Kathedrale und sing den Dankgottesdienst für deine Heilung zu dem in der Dreifaltigkeit zu verherrlichenden Gott, der seligen Jungfrau Maria und dem Heiligen Nikolaus dem Wundertäter, vor seiner Gestalt, die in der Kathedrale ist, auf der rechten Seite, im Seitenschiff, wo gewöhnlich Regenten stehen, und bitte die Priester, das Wasser zu weihen; das Wasser nimm aus dem Brunnen neben dem tiefen Graben. Wenn du das alles erfüllst, so wirst du durch die Gnade Christi von der Krankheit völlig befreit werden». Sofort ging der Knabe zu seinem Vater und erzählte ihm von der Erscheinung. Der Vater, als er alles gehört hatte und seinen Sohn plötzlich aufgestanden und fast gesund erblickt hatte, lief sofort mit seinem Sohn in die Kirche, um alles, was der Wundertäter befohlen hatte, zu erfüllen und mit Freude und Lob dem Heiligen kehrte er nach Hause mit dem Knaben, ganz vernünftig und gesund, zurück“.
– Wahrscheinlich ist das ein sehr wichtiges Buch, aber ich habe jetzt keine Kräfte mehr, weiter zu lesen, — sagte sie, als sie fertig mit dem Lesen war…
Sie fuhren mit der Nonne oft zusammen in das Iverer Kloster. Semiramide hatte schon mehrmals versucht, mit dem Trinken aufzuhören, sie hatte sich an die Hellseher gewandt, jetzt beschloβ sie, zu beten.
Einmal während des Dienstes in dem Iverischen Kloster machte sie die Augen zu und befand sich unerwartet auf einem Brachland. Um sie herum war alles weiß; sie sagte jemandem etwas, betete, bat um alle Verwandten. Dann machte sie die Augen auf — wieder ist der Dienst, alle singen, beten… Was während des Dienstes passiert war, gab der Assyrierin keine Ruhe und sie beschloβ, ihrem gläubigen Freund darüber zu erzählen. Aber der, obwohl er die geistliche Literatur las, wusste nicht, was alkoholische Psychosen waren.
Das ist die Mutter Gottes; Sie hat dich dazu geführt, Ihr zu sagen, was deine Seele bedrückt, — sagte er.
– Und wie soll ich erzählen?
– Wenn du die Gebete nicht kennst, dann sprich mit eigenen Worten, was du sagen willst. Dies ist das Gebet des Herzens. Sie kommt aus dem Herzen und nicht von der Vernunft. Wenn du glaubst, dass man dir helfen wird, so wird man dir unbedingt helfen, und wenn du daran nicht glaubst, so ist es besser, nicht zu bitten. Es wird durch den Glauben gegeben…
Es war die Zeit, in der sie entweder trank oder betete… Am Tage trank sie Kaffee mit Weinbrand, und in der Nacht setzte sie sich auf das Bett und mit eigenen Worten wandte sich an alle, von wem ihr die Nonne und der Verkäufer der Uhren erzählten, und dann an den verstorbenen Verwandten, damit sie ihr helfen…
Einmal auf dem Markt merkte Semiramide Karine zufällig. Die Beleidigung auf die Freundin, die sie verraten hatte, schoss durch ihr ganzes Wesen sofort. Die Assyrierin trank in einem Schluck die Tasse Kaffee mit Weinbrand, in dem es Kognak war dreimal mehr als Kaffee gab, und schrie schrill:
– Oh, du, die verlogene Eselin mit dem Herzen einer Ratte! Wie trägt dich die Erde, die Brut der Schlange!
Karine zuckte zusammen, sah sich sie näher an und, als sie ihre ehemalige Freundin erkannte, sagte mit gemachter Höflichkeit:
– Semiramide, was ist los mit dir, meine Liebe? Ich hätte beinahe gedacht, dass da irgendein Säufer schreit!
– Der Säufer? Ach, du ein Aas! Ja, ich habe ein wenig Kaffee mit Weinbrand getrunken! — schrie die Assyrierin, die an diesem Tag insgesamt bereits fast eine Flasche Kognak und eine Tasse Kaffee getrunken hatte, aber meinte, dass sie keine Alkoholikerin ist, weil sie Kaffee trinkt, in welchen sie ein wenig Schnaps hinzufügt, um die Kräfte zu stärken.
–Ja, die Zeit war grausam zu dir, – mit gespielter Traurigkeit sagte Karine, mit Vergnügen bemerkte sie für sich, dass sie selbst gut erhalten war.
– Jetzt bin ich zu dir brutal, – bösartig sagte Semiramide, deren Augen blutunterlaufen waren.
Die Armenierin erschrak ernsthaft. Aber dann kam der Verkäufer der Uhren, er konnte immer die Assyrierin beruhigen, und Karine gelang es, zu entgehen.
– Warum hast du mich aufgehalten? – bitter fragte die kranke Frau ihren Freund.
– Was würde sich verändern, wenn du etwas Schlechtes ihr jetzt gemacht hättest? Würde es dir leichter sein?
– Wahrscheinlich hast du recht, – bitter sagte die unglückliche Frau, deren Kräfte sofort weggingen. – Nichts ist zurückzugewinnen, alles ist verloren…
– Aber so darf man nicht denken! Bitte den Gott, Er wird dir helfen!
– Er wird helfen… – lautlos flüsterte die Assyrierin. Ihre Augen waren geschlossen, und sie flüsterte kaum hörbar: das ist unwahrscheinlich… Ich hasse sie! Verdammt!
– Aber so kann man nicht sprechen! – freundlich, aber bestimmt verbesserte ihr Freund sie.
– Du sagst immer – das darf man nicht, jenes darf man nicht, — bitter lächelte die Frau. – Warum?
— Der Fluch des Bösen kehrt auf seinen Kopf zurück, so steht es in der Bibel!
— So bin ich eine Böse?! – fang die Händlerin an, sich zu ärgern, aber aus irgendeinem Grund konnte sie auf den Verkäufer der Uhren nicht böse werden. Und schon ruhig sagte sie: — Nun, gut, ich bin böse, und was ist dann?
— Und dann richtest du diesen Fluch auf sich und deine Kinder. Brauchst du das?
— Ich bin schon so verdammt… Und meine armen Mädchen auch… Und über die Jungen will ich nicht sprechen… Du hast gesagt, dass man nicht mit dem Bösen für das Böse zahlen kann. Warum?
— Die Tatsache ist, dass derjenige, der das Böse begeht, trägt die Strafe für sich bereits in dieser Tat. Indem er aufhört, nach den Gesetzen des Gottes zu leben, beginnt er nach den Gesetzen der Welt des Bösen zu leben. Und das ist eine grausame und schreckliche Welt, es gibt nichts Schlimmeres, dorthin zu geraten. Und je mehr der Mensch das Böse begeht, desto mehr Leiden und Schmerzen hat er zu übertragen; die Herrscher der Welt der Finsternis werden aufpassen, damit er für alles Schlechtes, von ihm begangen, vollständig zahlen würde. Und derjenige, der mit dem Bösen für das Böse zahlt, beginnt selbst nach den Gesetzen dieser Welt zu leben. Man muss imstande sein, das Gericht dem Gott zu abzugeben…
— In der Hoffnung, dass Er so bestraft, dass selbst dem Beleidigten nicht einfallen würde? – listig fragte die Assyrierin.
— Der Gott bestraft niemanden. Er hört manchmal einfach auf, einige Menschen zu schützen!
— Gut -, plötzlich sagte die Frau ruhig. – Ich stellte mir vor, was ich gerne mit Karine machen würde für das, dass sie mich damals gestört hatte, mit Tigran zusammen zu sein; so, wenn du sagst, dass ihr etwas noch Schlimmeres bevorsteht, so ist es einfach schade um sie!
Und sie lachte bitter.
…Die jüngste Tochter von Semiramide hat es geschafft, aus dem Alptraum, in dem die Familie lebte, zu fliehen, sie heiratete und zog zu ihrem Mann um, und die älteste Tochter blieb mit ihrer Mutter, obwohl viele ihr Hof machten. Semiramide mischte sich in das Leben der Töchter nicht. Sie tat so, nicht weil sie sich für sie nicht interessierte, sondern sie hatte Angst vor den Beleidigungen von ihrer Seite, wenn ihre Ratschläge nicht richtig wären. Die älteste Tochter war psychologisch so abhängig von ihr, dass es keine Notwendigkeit gab, ihr noch etwas zu sagen, und die jüngste Tochter war so unabhängig, dass es klar war: was man ihr nur alles sagen würde, wird sie auf ihre eigene Weise handeln. Sie liebte die Mutter, aber nutzte die erste Gelegenheit, getrennt von ihr zu leben.

Krankheit als Hoffnung

Eines Tages, als Semiramide aus dem Kloster nach dem Abenddienst ging, sah sie in dem Himmel drei Männer mit Bärten. Sie waren so groß, dass die Frau aus der Angst die Augen beiseite führte, und als sie wieder schaute, waren sie schon nicht da.
Manchmal gelang es ihr lange nicht zu trinken. Der erste Tag war immer sehr schwer. Sie konnte nicht aufstehen, sie erbrach, das Herz pochte wie verrückt, es tat weh unter der Schulter, ihr brummte der Kopf, in den Augen schwammen dunkle Ringe, der ganze Körper zitterte, und die Hände zitterten so, dass es sogar unmöglich war, eine Tasse mit Wasser zu halten… In der Nacht kam die Angst, und zusammen mit ihr — die Schlaflosigkeit. Manchmal hörte sie irgendwelche Geräusche, vor den Augen entstanden Bilder, aber alles war so verschwommen, dass die Frau das nicht beachtete. Der einzige Wunsch war, bis morgen zu leben, um aus dem Haus dorthin fortzugehen, wo die Menschen sind, ja, auf den Markt, wo viele Menschen sind… Und viel früher, als das die Interessen des Handels forderten, ging Semiramide zum Markt; im Laufe des Tages gelang es ihr, sich ein wenig zu beruhigen, und am Abend kam sie mit Mühe zu sich. Nach einer Woche schien es ihr, dass sie jetzt nie trinken kann; in ihrem Kopf erschienen Phantasien, wie sie leben wird, wenn es keinen Alkohol in ihrem Leben gibt. Aber dann, in der Regel nicht später als in einer Woche, kam der Gedanke, dass es möglich war, ein Glas zu trinken, und alles begann vom neuen…
Einmal trank Semiramide mehr als zwei Wochen nicht. Sie kam von dem Markt, setzte sich auf die Couch und plötzlich hörte auf zu verstehen, was um sie herum geschieht.
Wardija sagte etwas der Enkelin, der Fernseher zeigte irgendein Programm, und in ihrem Kopf sang ein Männerchor. Sie dachte, dass sie Delirium tremens hatte. Sie sangen ohne Musik und dasselbe: «Herr, hilf ihr!» – und so dauerte es von halb sechs Uhr bis Mitternacht.
Auf dem Markt kam Semiramide auf den Verkäufer der Uhren zu, den sie jetzt ihren Bruder nannte, und erzählte, was mit ihr passiert war.
– Was war das?
– Ich bringe dir jetzt ein Buch, — nachdenklich sagte er.
In dem Buch wurde geschrieben, dass das manchmal auf den Gräbern der Heiligen geschieht, aber es wird auch den einfachen Menschen gegeben, das zu hören. Mit Alkohol verband ihr Freund diese Visionen nicht. Er machte sie noch mit einer Großmutter aus dem Dorf bekannt, die auf den Markt Milch brachte. Als diese alte Oma eine Wallfahrt machte, hörte sie, an zwei Klöstern vorbeigehend, einen Männerchor, und die anderen Pilger hörten nichts.
Assyrierin hat sich ein wenig beruhigt, aber am Abend in der gleichen Zeit hörte sie wieder den Männerchor. Nach ein paar Stunden schloβ sich ihm ein Frauenchor, und dann ein Kinderchor an. Sie alle sangen ein Lied. Etwas über die Mutter Gottes, aber Semiramide konnte die Worte nicht begreifen, es schien ihr, dass das ein Lobgesang war. Dann hörte der Männerchor auf zu singen, dann – der Frauenchor aber der Kinderchor sang weiter, aber ein Saxophon störte ihn zu hören. Die Frau versuchte, es zu «entfernen», aber dadurch verstärkten sich die Kopfschmerzen, sie hatte das Gefühl, dass der Oberteil des Kopfes brannte und sich erhob. Und da kam der Gedanke, dass es notwendig ist, das Gebet «Vater Unser» zu lesen. Und Semiramide kannte nur zwei Worte davon – «Vater Unser». Bis zu zwölf blieb noch eine Stunde; während dieser Stunde las sie das Gebet, das sie vorher nicht gewusst hatte, als ob jemand ihr vorsagte. Mit den letzten Worten des Gebets verklang das Saxophon, die Kinder sangen herrlich, und die unglückliche Kranke schlief ein. Aufgewacht, kannte sie das Gebet «Vater Unser» auswendig.
Am nächsten Tag erzählte sie alles ihrem gläubigen Freund.
– Ich verstehe nicht, warum du das immer noch hörst…– wunderte er sich.
– Kann ich das noch jemandem sagen?
– Was? Niemand wird dir glauben, weil sie selbst so was nicht gehört haben. Und man wird dich verrückt erklären!
Sie erzählte ihm von dem Buch über den Heiligen Nikolaus, das ihr die Nonne zu lesen vorgeschlagen hatte.
– Das ist ein großer Heiliger! – ernst sagte ihr der Verkäufer der Uhren. – Bete zu ihm, er wird dir helfen.
Und er holte aus der Tasche ein selbstgemachtes Heft in Halbbogen, das, er, wie es sich herausstellte, immer bei sich trug. Dort war von der Hand abgeschriebenes Akathistos dem Heiligen Nikolaus und seine Lebensbeschreibung. Er begann das Lebensbeschreibung zu lesen, die noch im zehnten Jahrhundert von Simeon Methafrast geschrieben worden war: «Durch seine natürlichen Begabungen und Schärfe des Geistes übertraf Nikolai die meisten der Wissenschaften in einer kurzen Zeit; jede Hektik verachtete er und mied unwürdige Zusammenkünfte und Gespräche, scheute ins Gespräch mit Frauen zu kommen, und schaute sogar auf sie nicht, kümmerte sich nur um das wahrhaft Vernünftige. Er verabschiedete sich von weltlichen Angelegenheiten und verbrachte die ganze Zeit in den Häusern Gottes, sich darauf vorzubereitend, um das würdige Haus des Herrn zu werden. Da sich der Heilige für die Führung der Heiligen Schriften und für das Verständnis der göttlichen Dogmen viel Mühe gegeben hatte, mit vielen guten Eigenschaften geschmückt war und ein tadelloses Leben strikt führte, das den Priestern gebührend war, und auch da er ein Gemüt hatte, das noch bevor er alt wurde, ruhig und besonnen war, wurde beschlossen, ihm den Rang eines Bischofs zu verleihen. Durch die Fürsorge des Onkels, der ihm den Vater ersetzt hatte, ernennt der damalige Vorsteher der Kirche in Mir ihn in Presbyter; so, den Eltern vom Gott gegeben, dank ihrem Gebet, kehrt er zu dem Gott zurück. Und dieser Bischof Mir, des göttlichen Geistes gewürdigt, als er sah, dass die Seele des Jungen mit den Tugenden blüht, prophezeite den künftigen Überfluβ an der Gnade bei ihm, indem er sagte, dass er ein guter Tröster den Trauernden, ein guter Hirt der Seelen, der Überbringer der Rettung für diejenigen sein wird, die in Gefahr sind, und die Irrenden auf die Felder der Frömmigkeit rufen wird».
– Es fällt mir schwer, das zu hören, — unterbrach ihn die Frau. – Und die Nonne konnte ich nicht hören… Lass uns das auf später verschieben.
Aber „später“ kam nicht so bald. Der Tag verlief wie üblich. Aber am Abend klang im Kopf von Semiramide schon ein assyrischer Gesang. Assyrische Musikinstrumente spielten und wahrscheinlich sangen alte Assyrer. Sie begann, mit ihnen so zu singen, als ob sie alles, was sie sangen, auswendig wusste… Dabei war die Sprache, in der sie sangen, ihr nicht bekannt. Niemand war zu Hause, Semiramide tanzte sogar, sie war so glücklich… Sie dachte: «da kommt die Mutter, und ich werde ihr eine Strophe singen, und sie wird übersetzen, wenn sie das kann». Aber als die Mutter und die Tochter endlich kamen, verschwanden alle Worte aus ihrem Kopf.
Die Schwüle des Sommers verschärfe die inneren Leiden der Frau; sie wollte von sich selbst weglaufen. Wenn sie könnte, raus aus ihrer Haut sein und irgendwohin flüchten, dann würde sie das sofort machen.
Sie dachte sehr viel, was die Visionen bedeuteten, die sie besucht hatten. Auf dem Markt fragte sie bei einer älteren Assyrierin, wie ihre Landsleute in alten Zeiten gebetet hatten, und die sagte, dass das mit Liedern und Tänzen war. Seit dieser Zeit konnte sie überhaupt nicht trinken, unabhängig davon, ob sie das wollte oder nicht wollte.

Auf dem Grund

Nachdem Semiramide den Gesang der alten Assyrer gehört hatte, entschied sie, dass alles ihr gut gehen wird und begann, ihre Wohnungsfrage zu regeln. Sie wandte sich an die Behörden, damit sie den Keller als ihre rechtmäßige Wohnung anerkannten.
Als Wardija davon erfuhr, schimpfte sie die Tochter sehr:
— Warum mischst du dich darin ein, was du nicht verstehst! Wo werden wir jetzt leben? – schrie sie.
— Alles wird gut sein! – selbstbewusst antwortete Semiramide.
Aber die Mutter hatte recht: sie wurden wirklich gebeten, den Keller zu verlassen. Eine Bekannte riet Semiramide als Wächterin in einer Gärtnerei-Genossenschaft dreißig Kilometer von Rostow-am-Don zu arbeiten. Sie bekam diese Stelle inoffiziell, weil sie keine Anmeldung hatte. Man zahlte ihr statt zwei tausend Rubel achthundert Rubel, aber die Frauen waren auch darüber froh. Sie lebten in einem kalten eisernen Wagen, es war fürchterlich, deshalb hielten sie für den Schutz die Hunde, zu denen sie sich als zu den Verwandten verhielten. Wardija fuhr auf den Markt, um zu handeln, weil sie sonst vor Hunger sterben würden. Semiramide hatte Angst, auf den Markt zu fahren, um nicht wieder anzufangen zu trinken, wenn sie in die gewohnte Umgebung gerät. Sie lebten so schlecht, dass die Obdachlosen ihnen halfen.
Einmal kam Wardges zu ihnen, er beschuldigte sie nicht, aber seufzte verdrossen und schüttelte vorwurfsvoll den Kopf, als wollte er sagen: das ist, was ihr erreicht habt! Und nach einer Weile ist er gestorben. Wie es sich herausstellte, lebte er in den letzten Jahren bei seinem Vater. Die jüngste Tochter hat Semiramide zur Beerdigung gebracht. Als sie ankamen, stand der Sarg bereits im Bus. Aus dem Augenwinkel sah die ihren Sohn verlorene Mutter ihre Schwester und ihre Freundinnen.
Für einen Moment sah sie ihren lächelnden Sohn…Sie musste in den Bus einsteigen. Jeden Schritt machte sie mit großer Mühe. Semiramide bat die Tochter in den Bus einzusteigen und sie bei der Hand zu ziehen und sie selbst, in die Knie sinkend, kletterte hinein. Die Tochter weinte leise. Die Mutter sah auf den, der in dem Sarg lag. Das war ein geschwollener Mensch, der ihrem Sohn nicht ähnlich war. Aber plötzlich sah sie für einen Moment statt ihn wieder den Sohn – so, wie er in ihrem Herzen lebte.
Aus dem Bus ausgestiegen, sah die Assyrierin auf die Schwester gereizt: «Da zetert sie, zeigt vor den Freundinnen eine gute Tante!» Sie selbst saß schweigend. Sie weinte auch nicht, als sie in der Tasche den winzig kleinen toten Sohn trug, von dem einzigen Mann empfangen, den sie liebte. Wegen irgendwelcher dummen Bedingungen hat man dem Kind nicht gegeben, normal geboren zu werden und zu leben…
Ihre Gedanken unterbrach der Neffe, der auf sie zukam und fortzugehen bat, weil «seine Mutter nervös ist».
Semiramide sah den Schmerz in den Augen ihrer Tochter, der es bitter war, dass man so mit ihrer Mutter verfuhr. «Zusammen mit meinem Sohn sind für mich auch die Verwandten gestorben», — sagte die Assyrierin. Sie stiegen in ein Taxi ein und fuhren weg. Danach war sie schlecht auf den Beinen, sie konnte nur ein paar Schritte gehen.
Nach einem Jahr mussten sie auch die Gärtnerei verlassen. Die jüngste Tochter hat sich das Geld geliehen, und die ältere Tochter hat ein kleines Haus ohne Papiere in einem verlassenen Dorf gekauft, wohin sie übersiedeln konnten. Das Leben dort war am schwierigsten.
Der Winter in diesem Jahr war unerträglich kalt. Die Kälte ließ an die Annäherung zum Ende denken. Mit dem Essen war es schwer. Die Hunde, die nicht nur Fleisch nicht gesehen haben, sondern auch Brot nie satt gegessen haben, starben bald an der Erschöpfung. Semiramide verstand, dass sie selbst an der Reihe sind. Und da noch Wardija ist nach Rostow-am-Don gefahren, um die Rente zu bekommen und hat das Gedächtnis verloren. Sie war acht Tage nicht zu Hause. Die Tochter hatte schon nicht gehofft, sie zu sehen, als sie auf dem Hof erschien. Die Beine waren geschwollen, und sie konnte sich nicht erinnern, wo sie in diesen Tagen war.

Die Hilfe des Heiligen Nikolaus

Manchmal half ihnen ein alter Mann mit dem Essen. Er riet, zum Heiligen Nikolaus zu beten, der allen, wer zugrunde geht, hilft. Woher erschien dieser alte Mann? Er scheint nicht von hier zu sein. Und er kam immer genau dann, wenn die Frauen begannen zu denken, dass alles zu Ende war.
– Bitte den Heiligen Nikolaus, er wird dir helfen! – jedes Mal sagte er zu Semiramide. Und die konnte nichts mehr, als nur beten. Sie war auch einverstanden, zu sterben – so stark war ihre Müdigkeit. Die Frau bat ihren neuen Bekannten, ihr über den Heiligen zu erzählen, um dessen Hilfe er ihnen befohlen hatte zu bitten.
– Er ist sehr streng, aber in der gleichen Zeit so freundlich, — sagte der alte Mann nachdenklich. – Eines Tages war er auf dem Konzil in der Stadt Nicäa; damals stand der Kirche bevor, Arie zu antworten, der lehrte, dass in Christus nicht der Gott verkörpert worden war. Arius war ein Mann von großer Gelehrsamkeit und so beredt, dass alle ihm glaubten; für die Analyse der von ihm geschaffenen Lehre wurde mit der Unterstützung des ersten christlichen Kaisers von Rom das erste in der Geschichte der Kirche ökumenische Konzil einberufen, zu dem dreihundertachtzehn Bischöfe gekommen waren, und sie konnten nicht die richtigen Worte finden, um zu beweisen, dass der Arianismus eine Irrlehre war. Auch der Heilige Nikolai fand keine Worte und schlug den Ketzer…
Ist er deshalb ein Heiliger? – fragte Semiramide skeptisch. – Mein erster Mann war gewohnt, sofort ins Gesicht zu schlagen, wenn etwas ihm nicht gefiel und es gab in ihm die Heiligkeit nicht für `n Groschen…
– Natürlich ist es nicht so, – lachte der alte Mann. – Siehst du, ich kann dir auch nicht erklären… Er war damals Erzbischof und, wenn der Erzbischof jemanden schlägt, so wird ihm der heilige Rang entzogen. Und für den Heiligen Nikolaus war dieser Rang sehr teuer! Was war mit deinem ehemaligen Mann dafür, wenn er jemanden schlägt?
– Er hatte nichts dafür! – lachte die Assyrierin, der im Vergleich zu ihrer heutigen Situation sogar das Leben mit einem Taschendieb und einem Schläger lustig schien. – Allerdings habe ich wenig mit ihm gelebt. Aber meinen Geliebten, dass er jemanden geschlagen hat…
Ein Klumpen in ihrer Kehle lieβ sie nicht sprechen – statt der Worte brach ein Röcheln aus und plötzlich brach die Frau in Schluchzen aus, obwohl sie früher keine Träne hatte. Als ob sie gestern neben Tigran war, die Trennung mit ihm hatt ihr Leben zerstört… «Es geht nicht um seine Schlägerei, sondern darum, dass ich erlaubt habe, unser Kind zu töten!» – sagte Semiramide barsch. Das Leben könnte ganz anders sein, – dachte sie, – und nicht die Obdachlose, sondern die Prinzessin, würde sie mit dem, wer sie geliebt hatte und wen ihr Herz bis zu einem solchen Grad jetzt liebte, dass nur durch eine Erinnerung an ihn die kranke alte Frau plötzlich schön wurde. Und der alte Mann schien alles gesehen zu haben, was in ihrer Seele geschah.
– Ich sehe, du hast mich verstanden, — sagte er. – Also, dem Heiligen Nikolaus wurde von dem Konzil der heilige Rang entzogen, weil er nur einmal in seinem Leben einen Menschen geschlagen hatte, weil der die menschlichen Seelen durch seine Eloquenz zerbrach…
– Und was war so schlecht in seiner Lehre? – fragte die Assyrierin, die in den Feinheiten der Theologie wenig verstand.
– Wie ist das dir zu erklären? – vertiefte sich in Gedanken ihr Gesprächspartner. – Das Christentum ist eine Religion, die lehrt das, was nach den Gesetzen der menschlichen Logik nicht sein kann: dass sich der Gott selbst, um die Menschen zu retten, in Christus mit der menschlichen Natur vereint hat. Arie, der logisch dachte, schien es, dass es viel richtiger wäre, daran zu glauben, dass in Christus nur einer der höchsten Geister, der große, aber der geschaffene, verkörpert worden war. Und der Heilige Nikolaus fühlte in seinem Herzen das, was die Kirche in einer der Hymnen singt: «nicht der Vermittler, nicht der Engel, sondern der Herr Selbst verkörpert wurde»… Aber er hatte keine Worte, um den gelehrtesten Theologen zu seiner Zeit zu widerlegen, deshalb gab er eine Ohrfeige…
– Es stellt sich heraus, dass das vom Gefühl seiner Ohnmacht war? — seufzte die Frau.
– Von der menschlichen Schwachheit, in der sich die Kraft des Gottes vollzieht. Seine Tat war so ungewöhnlich, dass sie die Aufmerksamkeit aller Väter des Konzils auf sich lenkte; sie begannen, die Einwände dem Ketzer noch gründlicher zu suchen und sie fanden sie. Und viele von ihnen hatten Visionen vom Herrn, und der Heilige Nikolaus wurde dann freigesprochen und in seinem Rang des Erzbischofs wiedereingesetzt.
– Und hatte ich Visionen vom Herrn? – nutzte die Assyrierin die Gelegenheit, um die Meinung dieses sachkundigen Mannes zu erfahren, und erzählte, was sie gesehen hatte und was dieser Vision vorangegangen war.
– Sei mir nicht böse, aber das heißt Delirium, — lächelte der alte Mann. – Ich denke, dass damals dir Haloperidol nicht schaden würde. Aber der Gott richtet auch das Böse an das Wohl. Du hast die richtigen Schlüsse daraus gemacht, weil du zu trinken aufgehört hast…
– Waren das nicht geistliche Visionen? – fragte Semiramide beleidigt.
– Wollen wir sehen, was die geistliche Vision bedeutet, — lachte ihr Gesprächspartner. – Es gibt eine Welt neben uns, die wir nicht sehen, und das ist ein großer Vorteil für uns, weil der Mensch in seinem beschädigten Zustand die Welt der Geister ohne Gefahr für sich selbst nicht sehen kann, die Welt der Geister. Die Änderungen, die Menschen in ihrem Körper mit Drogen, Alkohol, Hunger, hervorrufen, können ihnen die Möglichkeit nicht geben, irgendwelche Fragmente der geistlichen Welt zu sehen, in der Regel sind ihre dunklen Teile zu sehen. Es ist für den Menschen schädlich, der einige grobe Sünden hat; es kann sich bei ihm eine chronische psychische Erkrankung entwickeln. Und überhaupt soll man nicht die mystischen Visionen suchen. Wird mindestens einmal in der Heiligen Schrift gesagt, dass jemand, der sie nicht hat, unvollkommen ist? Dort steht geschrieben, dass etwas ganz anderes einen echten Wert für den Menschen hat: die Liebe zu dem Gott und zu den Nächsten, die Reinheit des Herzens.
Er hat oft so gesprochen. Er erzählte über drei Töchter eines guten, aber nicht besonders moralisch standhaften Menschen, der nachdem er in Konkurs geraten war, begann zu denken, wie er sie irgendwohin als Konkubinen unterbringen kann, und sogar etwas Schlimmeres… und wie der Heilige Nikolaus in der Nacht heimlich an das Fenster seines Hauses klopfte und ein Paket mit Goldmünzen warf. Der nichtsnutzige Vater benutzte sie richtig, indem er die Heirat der älteren Tochter organisierte, und der Erzbischof warf ihm nach einiger Zeit das zweite Paket, das im Schicksal des mittleren Mädchens half, und dann auch das dritte, das der jüngeren Tochter half…
– Ein Zaubermärchen – ein Klopfen ans Fenster dreimal und ein unerwartetes Geschenk, das das Leben von einer hoffnungslosen Finsternis zum Sonnenlicht ändert! – nachdenklich sagte Semiramide. – Aber das ist nur ein Märchen, kann das so in unserem täglichen Leben sein?
– Es kommt vor, – selbstbewusst antwortete ihr der Alte.
Er erzählte ihr über die unschuldig verurteilten Adligen, die der Heilige von einer unverdienten Hinrichtung gerettet hatte. Sie waren Zeugen, wie der Heilige Nikolaus das Schwert aus der Hand des Henkers herausriss, indem er die Hinrichtung von drei verleumdeten Bürgern stoppte, deren Unschuld dann nachgewiesen wurde. Diese großen Herren waren überrascht nicht nur durch die Furchtlosigkeit des Bischofs, der die Todesstrafe gestoppt hatte, sondern auch, wie ihm am Herzen ein fremdes Unglück gelegen hatte und – überraschend war das, dass er mit solcher Macht gehandelt hatte, dass es unmöglich war, ihm nicht zu gehorchen.
Nach einiger Zeit brauchten diese Adligen Hilfe: der Hauptstadt-Bürgermeister verleumdete sie vor dem Kaiser, indem er eine schwere Beschuldigung des Hochverrats erhob, für den die Strafe der Tod war. Die unglücklichen Menschen erinnerten sich dann im Gefängnis an den Heiligen Nikolaus. «Wenn er hier wäre, so würde er uns, wie damals die Bürger, retten!» — dachten sie. Und obwohl der Heilige weit von ihnen war, wandten sich die unschuldigen Gefangenen an ihn mit einem heißen Flehen, glaubend, dass er sie, trotz der Entfernung, hören wird.
Und der Heilige Nikolaus hat sie wirklich gehört. Er kam zu dem Kaiser und dem Bürgermeister im Traum; man begann ein neues Verfahren der Sache, in deren Folge die Würdenträger nicht nur freigesprochen, sondern in ihren Rechten wiedereingesetzt wurden.
Er erzählte auch über die umkommenden Menschen im Meer und viele andere Geschichten. Es schien der Assyrierin, dass der Heilige Nikolaus der leiblichste von allen ist, die sie hat; vor allem wurde sie davon beeindruckt, dass es, wie es ihr schien, in seinen Leiden, als er den Glauben auf dem Konzil schützte, etwas ähnliches mit den Leiden von Tigran gibt… Es war unmöglich, sie zu überzeugen, dass Tigran ein übler Schläger war: sie wusste genau, dass er der beste von allen Menschen, die jemals auf der Erde gelebt hatten, war… Sie betete ständig zu dem Heiligen, liebevoll wandte sie sich an ihn «Nikoluschka». Semiramide dachte, dass er wegen dieser Freiheit auf die alte kranke Assyrierin, die in Erwartung des Todes lebt, nicht böse sein wird. Sie erinnerte sich an einen seit langem gelesenen Auszug aus dem Buch, das ihr ihre Freundin in der letzten Vergangenheit, die aber durch neue Kummer bereits gelöscht wurde, gegeben hatte, und einen Auszug aus einer alten Lebensbeschreibung, die der Verkäufer der Uhren gelesen hatte… Und es begann ihr zu scheinen, dass der Heilige ein Wunder in ihrem Leben unbedingt machen wird, einem von denen ähnlich, über die der Alte ihr erzählt hatte…
Manchmal saβ sie stundenlang vor der kleinen Ikone aus Papier (sie hatte keine Kräfte zu stehen: die Beine gehorchten ihr nicht), mit dem auf ihr dargestellten Heiligen Wundertäter sprechend, wie mit dem nächsten Menschen, indem sie mit ihm ihre Sorgen des Lebens teilte:
«… Mein Geliebter kam, als ich noch nicht verheiratet war. Es stellte sich heraus, dass das Gericht wegen der Schlägerei stattgefunden hatte, und er zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden war. Er wurde freigelassen, kam und als er meine Freundin-die Armenierin sah, bat sie, mich zu rufen. Aber sie betrog ihn, mir beneidend, und sagte, dass er mich nicht stören sollte: ich liebe einen anderen. Sie wollte mit ihm bleiben, aber er ging fort. Und das ist meine beste Freundin! Der Neid ist schrecklich…»
Ein anderer innerer Schmerz war der verstorbene Sohn. «Als die Schwester einen Brief von der Mutter gebracht hatte, küsste ich den Sohn, gab ihn in die Hände der Schwester (Sie wartete im Flur). Was zwang mich solche Tat vollbringen: in einem nüchternen Zustand den Sohn mit den eigenen Händen der anderen Frau abzugeben, wenn auch der leiblichen Schwester?! Ich kann es auch jetzt nicht erklären. Wenn ich gewusst hätte, dass ich den Sohn für immer verliere…» Sie klagte über die Freundinnen: «Eine Sache habe ich gelernt: wenn du mehr Glück hast, als deine Freundin, dann wirst du automatisch ihr Feind. Aber wenn du ganz unten bist, so braucht sie dich nicht, du bist ihr kein Rivale. Wenn sich die Verwandten von uns abwenden, was ist von den fremden Menschen zu erwarten? Der, der nicht sehen will, ist blind…» Sie klagte über den Vater ihrer Töchter: «In Rostow begann er im Rennen zu spielen. Und damit hat er alles selbst zerstört. Bei mir fing ein Nervenzusammenbruch an. Ich wusste, welche beruhigende Arznei ich brauchte,… Und ich begann leichtfertig ihm zum Trotz zu handeln. Er – auf das Rennen, und ich — in die Flasche. Ich hatte ihn satt. Ich habe das Geld nicht gesehen, auβerdem war er zu mir grob. Ich bin kein Engel ohne Flügel, ich bin ein Mensch. In jedem Menschen sitzt der Teufel, aber in mir war ihn zu viel…» Manchmal, sich an den Heiligen wendend, begann Semiramide zu philosophieren, sie versuchte, ihr Leben zu verstehen: «Ich werde alles sagen: wie ich durch die brutale Wahrheit des Lebens zerquetscht wurde, wie meine Träume und Hoffnungen durch das unerbittliche Schicksal getötet wurden. Wer wird eine in Sünden versumpfte und heruntergekommene Frau schützen? Es ist sehr furchtbar, wenn sich diejenigen abwenden, die teurer als das Leben waren… Das Böse hat viele Gesichter und greift zu den heimtückischen Tricks».
Wardija betete auch vor dieser Ikone, aber nicht so «herzlich» wie ihre Tochter. Sie meinte, dass man den Heiligen um Hilfe mit Respekt bitten soll, und ihn mit unnötigen Informationen nicht belasten soll. Es war ihr bitter, auf Semiramide zu sehen: in der Tiefe der Seele fühlte die alte Assyrierin, wenn sie sie nicht gezwungen hatte, das Kind loszuwerden, wäre das ganze Leben der Tochter anders gewesen…
Wardija bat um Vergebung für alles, was sie falsch gemacht hatte, sie bat um die Hilfe – nicht mehr für sich und die Tochter, sondern für die Enkelin: «Sie ist ja an nichts schuld! Sie ist einfach zu sehr an ihre Mutter gebunden. Sie könnte längst heiraten, ein normales Leben haben und sie, in ihm nichts gesehen, teilt mit uns freiwillig diesen Alptraum! Wir haben mindestens gelebt, haben alles gesehen, und warum leidet sie?»
Je mehr es äußere Schwierigkeiten gab, desto heißer wurden die Gebete von Frauen, die, wie es schien, in einer hoffnungslosen Situation waren.
…Manchmal fuhr Wardija per Anhalter nach Rostow-am-Don. Einmal in der Nacht nach dem Gebet hörten Semiramide und ihre Tochter ein Klopfen am Fenster dreimal. Sie sahen hinaus, – niemand war da. Es ging ihnen immer schlimmer als sonst, und ihr Wohltäter – der alte Mann verschwand in der letzten Zeit. Am Morgen machte sich Wardija bereit, in die Stadt zu fahren. Als sie auf der Trasse stand, fuhr ein vorüberfahrender Jeep zurück. Aus ihm stieg ein stattlicher Mann aus und, als er erfuhr, wohin sie geht, bot an, sie dorthin zu bringen. In der Stadt gab er ihr einen Umschlag, in dem sechzigtausend Rubel und eine Ikone aus Papier waren. Er nahm ein Taxi, das Wardija nach Hause brachte. Und als das Geld ausging, kam er zu ihnen, half aus diesem Dorf fortzugehen und ein Haus zu kaufen.
Semiramide starb vor seiner Mutter. Sie und die Tochter waren neben ihr in den letzten Stunden. Und da war der irdische Weg der Dulderin zu Ende. Wardija schaute traurig auf tote Tochter, deren Gesicht jetzt, wie auch in letzter Zeit, friedlich war, und sagte der Enkelin:
– Ich habe ihr in ihrer Kindheit oft die Geschichte von der orientalischen Königin Semiramide erzählt. Die Legende besagte, dass sie nicht gestorben war, sondern sich in eine Taube verwandelt hatte. Auch meine Tochter, deine Mutter, wurde jetzt frei von vielen Fesseln dieses Erdendaseins in der Finsternis und unter den Leiden frei und ging zu Gott…
– Aber ist das Leben so, dass es sich absolut nicht lohnt zu leben? — fragte die Enkelin sie.
– Nein, es gibt viel Gutes auch in diesem Leben. Wir müssen nur in der Lage sein, das zu sehen. In der Regel ist es so, dass was wir haben, reicht uns nicht – es ist egal, wie viel man uns gibt, wir möchten mehr und mehr. Und wir müssen in der Lage sein, dem Gott für die Dinge, die viele gar nicht bemerken, dankbar zu sein. Denn es ist schwierig, zu würdigen, von welchem größten Wert die Freiheit, das Fehlen von starken Schmerzen, Hunger, wenn es ein Dach über dem Kopf gibt, sind…
Die Enkelin sah auf die Großmutter, die in ihrem Leben das Gefängnis in Mordowien und Krankheiten und Entbehrungen, und ein hungriges Leben erlebt hatte, und fing an zu weinen.
– Weine nicht, mein Schatz, – durch die Kraft lächelte die und umarmte sie. – Jetzt wird es dir gut gehen!
Aber es war auf ihrem Herzen unruhig. Sie spürte, dass der Weg der Schmerzen für sie und ihre Tochter vorbei ist, aber der Enkelin noch bevorsteht, viel Schlechtes im Leben zu sehen.
Wardija lebte auch nicht lange, nachdem sie die Tochter begraben hatte. Sie und Semiramide starben im Frieden mit dem Gott und den Menschen, und die Tochter, die bei ihnen wohnte, arbeitet bei der Kirche. Aber das ist eine ganz andere Geschichte…

*****
Der Mann, der ihnen geholfen hat, ist Michail Iwanowitsch Tschepel, jetzt schon Priestermönch Michael. Er half vielen Menschen völlig uneigennützig. Die Zeilen über ein Klopfen am Fenster erinnern an ein Fragment aus dem Leben des Heiligen Nikolaus, der ins Fenster die Knötchen mit Gold warf, drei Mädchen von dem moralischen Tod rettend. Und diesmal hat er durch den Vater Michail diesen drei Frauen geholfen, den Tod zu vermeiden.
Die Geschichte einer durch das Leben zerbrochenen Frau zeugt davon, dass dem Gott jeder Mensch teuer ist, egal, wie tief er sich im Leben irrt und wie schwer er krank ist. Zum Glück gibt es unter uns noch diejenigen, die ein fremdes Unglück nicht gleichgültig läβt, die bereit sind, nicht nur in Worten, sondern auch wirklich den Leidenden und Ausgestoßenen zu helfen, was bedeutet, dass noch nicht alles für diese Welt verloren ist…
Diese Geschichte möchte ich mit den schönen Worten des Metropoliten Antonij (Bloom) über den Heiligen Nikolaus beenden: «Wenn man über sein Leben liest, so ist man überrascht, dass er nicht nur für das Geistliche sorgte; er kümmerte sich um jedes menschliche Bedürfnis, um die bescheidensten menschlichen Bedürfnisse. Er konnte sich freuen mit denen, die sich freuten, er konnte mit den Weinenden weinen, er konnte trösten und diejenigen unterstützen, die den Trost und die Unterstützung brauchten. Und deshalb liebten ihn die Leute, die Herde von Myra liebte ihn sehr, und das ganze christliche Volk verehrt ihn so: nichts ist für ihn unbedeutend, jedem schenkte er Aufmerksamkeit seiner schöpferischen Liebe. Es gibt nichts auf Erden, was seiner Gebete und seiner Arbeit unwürdig wäre: die Krankheit und die Armut, die Benachteiligung und die Schande, die Angst und die Sünde, die Freude und die Hoffnung und die Liebe — alles fand einen Widerhall in seinem tiefen menschlichen Herzen. Und er hat uns das Bild eines Menschen hinterlassen, der der Glanz der Schönheit Gottes ist; er hat uns in sich eine lebendige, wirkende Ikone der echten Menschen hinterlassen. Aber er hat uns sie nicht dazu hinterlassen, damit wir jubelten, bewunderten, staunten; er hat uns sein Bild hinterlassen, damit wir von ihm lernten, wie wir leben sollen, wie wir lieben sollen, wie wir sich selbst vergessen sollen und uns an jedes Bedürfnis eines anderen Menschen furchtlos, aufopferungsvoll, freudig erinnern sollen».

STATT EINES SCHLUßWORTES

Lieber Alexej Alexandrowitsch, natürlich, hat ihre Geschichte mich sehr berührt, aber das wichtigste Leitmotiv klang ständig in ihren Worten: «Ich habe immer zu Nikoluschka gebetet». Sogar den Zustand der Obdachlosen erreicht, hatte sie einen starken Glauben. Ich weiß nicht, wer jener Mann war, aber er hat ihr einen fantastischen Glauben eingegeben und ihn in ihr unterstützt. Sie sind auf den Grund heruntergekommen: die Großmutter, die Mutter und die Enkelin schliefen gemeinsam mit den Hunden, um sich im Winter zu erwärmen. Es gab fast keine Scheiben im Haus und stattdessen wurde eine trübe Folie aufgeklebt.
Es war ein eiskalter Winter, als ich auf der Trasse einer Oma begegnete. Wir fuhren schnell, weil wir von Kuban nach Kalmückien fahren muβten und die Mitreisenden nicht nahmen. Eigentlich, flogen wir auch an der Großmutter vorbei, die einsam stand und sogar nicht versuchte, per Anhalter zu fahren. Wahrscheinlich verlor sie jede Hoffnung auf Hilfe. Ich weiß nicht, was mich zu stoppen zwang, ich sagte nur dem Fahrer: bremse, fahre zurück, helfen wir der Groβmutter. Dann fügte ich hinzu: «Hier stimmt etwas nicht!» Das Aussehen der Großmutter war entsprechend, aber ordentlich. Unterwegs unterhielten wir uns; sie sagte, dass sie nach Rostow zu einer Beerdigung fährt und vielleicht etwas Geld irgendwo finden wird, weil sie und ihre Nächsten völlig Bettler sind. Auf der Trasse Rostov-Stavropol trennten wir uns. Wir gaben ihr alle unsere Süßigkeiten – gebratene Kuchen mit verschiedenen Füllungen, das Geld von dem, was „einen Vorrat“ genannt wird. Zur Ehre der Großmutter hat sie keine Kopeke verschwendet und alles nach Hause gebracht. Dann haben sie alle ihre Schulden bezahlt. Ich fragte, wie sie heiβt. Ich hielt ein Taxi an, bat den jungen Mann sehr überzeugend, die Groβmutter wie seine eigene zu fahren. Der Kerl war ein Prachtkerl, verlieβ die Groβmutter in Rostow nicht und tat alles so, wie es sein sollte.
Es verging etwa zwei Wochen, es war klirrend kalt, die Temperatur war ungewöhnlich niedrig für Kuban – ca. — 25. Meine Seele begann über die Großmutter zu schmerzen. Wo ist sie, was ist mit ihr. Wohin zu fahren, weiβ ich nichr, ich kenne ihre Adresse nicht, nur den Vor-und Nachnamen, und das Herz hat keine Ruhe. Es gibt viele Fragen: Woher kam sie auf die Trasse oder fuhr sie per Anhalter usw. Ich sammle Produkte: Getreide, Wurst, Käse, Butter, Tee, Zucker, Kaffee, Zwieback, Streichhölzer, zwei Säcke Kartoffeln – und sende die Fahrer Dimitri und Sergej dorthin: versuchen Sie, die Großmutter mit der Familie zu finden. Wenn es der Wille Gottes sein wird, so werden Sie sie finden. Sie fanden sie, obwohl es viele Mühe gekostet hatte. Die Jungen entbrannten selbst, um ihnen zu helfen. Ich sagte ihnen die Abschiedsworte: bemühen Sie sich, wir haben hier alles zum Essen, und die Menschen sterben an Hunger und Kälte. Sie fanden sie: das war ein verlassenes Dorf, die Menschen haben Angst, die Häuser zu verlassen, es gibt keine Straßen, es gibt nur Holzstegen. Die Einwohner waren wegen der Autos sehr beunruhigt und die Menschen wollten nicht, mit ihnen Kontakt aufzunehmen, sie dachten, dass sie irgendwelche Banditen waren, aber, wenn ich mich nicht irre, gerade der Mann, der ihnen über den Glauben immer erzählt hatte, gab die Adresse. Im Dorf leben Menschen mit Behinderungen, Menschen mit Häβlichkeiten und alte Menschen. Es wurde den Fahrern furchtbar. Sie kehrten erschüttert zurück.
Ich beschloβ, diese Familie nicht zu lassen, ein Haus mit der Anmeldung zu finden und zu kaufen. Dank der Vorsehung gelang es uns, ein normales Haus sogar mit einem Grundstück zu kaufen. Wir kauften Kohle, Brennholz. Wir kamen, holten sie ab und zogen um. In einem Kommissionsgeschäft kauften gute Möbel. Das Haus war zu ihrer Ankunft bereit. Gute Christen aus Griechen – Armenien halfen uns.
Die Groβmutter und die Tochter erinnern sich mit Dankbarkeit an den Mann, der über den Glauben und den Heiligen Nikolaus beharrlich sprach. Es war erstaunlich, dass, je niedriger sie herunterkamen, (und sie lebten so schon seit ein paar Jahren), desto stärker wurden ihr Glauben und die Hoffnung. Eine erstaunliche Kraft des Geistes. Der Autor der Geschichte lächelte nur, als sie darüber sprach, und wiederholte: ich habe immer-immer-immer an Nikoluschka geglaubt. Jetzt sind beide Beterinnen schon nicht mehr am Leben, die schwerste Widrigkeiten des Lebens haben dazu geführt, aber die Enkelin arbeitet jetzt bei der Kirche in einem der Kubaner Dörfer mit dem gleichen heißen Glauben an Nikolaus.
Vielleicht könnten Sie das für die Entwicklung der Handlung nutzen, wie man in Büchern schreibt, alle Ereignisse basieren auf realen Fakten.

Mit tiefer Dankbarkeit P. M.

Ich habe ihre Erzählung gelesen, zuerst las ich, alles im voraus wissend; dann faszinierte sie mich. Wirklich, es wurde sehr interessant.Ich bin Ihnen sehr dankbar, Sie haben die Seele in sie hineingebracht. Aus einer einfachen Beschreibung des Lebens ist ein sehr lehrreiches Werk entstanden. Unwillkürlich, fühlt man, dass der Gott hinter all diesen Heimsuchunge steht. Man kann nicht sagen, dass sie in vollem Maβe der Kirche gehören, aber der Heilige Nikolaus lieβ sie offenbar ohne seine Hilfe nicht und klärte sie sogar durch das Licht vom Christentum mit Hilfe der nebenan lebenden Menschen auf.
Priestermönch Michail (Tschepel)

Fedotow Alexei Alexandrowitsch
Professer der Iwanowoer Filiale des Instituts für Management (Archangelsk). Doktor der historischen Wissenschaften, Theologe, Doktor der Theologie. Mitglied des Verbandes der Schriftsteller und des Verbandes der Journalisten Ruβlands. Autor von mehr als 280 literarischen, schöngeistigen, populär – wissenschaftlichen und Zeitungsveröffentlichungen. Er ist mit vielen staatlichen, kirchlichen und gesellschaftlichen Auszeichnungen belohnt.

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